Christian Hofmann, Gruppenleiter am Fraunhofer IIS, arbeitet an der Entwicklung eines »CardioTEXTIL«: ein textilintegriertes Sensorsystem, das bequem eine kontinuierliche Überwachung der Herzaktivitäten ermöglicht. #WeKnowHow
»CardioTEXTIL« – Das EKG als »zweite Haut«
Wie lässt sich die Herzaktivität einfach, integriert und vor allem bequem messen? Die Antwort ist simpel: Mit einem tragbaren EKG, das durchgängig wie eine zweite Haut anliegt. Was futuristisch klingt, ist in der Gruppe »Medizinische Sensorsysteme« am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS schon Realität geworden. Wissenschaftler um Christian Hofmann haben in Erlangen das »CardioTEXTIL« entwickelt, welches wie ein herkömmliches Langzeit-EKG funktioniert, sich aber sehr viel bequemer am Körper anfühlt: In ein Tragesystem, das ähnlich wie die Trageschlaufen eines Rucksacks konzipiert ist, wurden vier Trocken-Elektroden in Höhe des Schlüsselbeins und des unteren Brustkorbs integriert. Der spezielle Schnitt und die besonderen, elastischen Materialien gewährleisten einerseits einen guten Hautkontakt und damit eine zuverlässige Signalqualität und andererseits einen sehr hohen Tragekomfort, der etwa dem eines enganliegenden T-Shirts entspricht. Zusätzlich ermöglicht der Schnitt, dass das »CardioTEXTIL« sowohl für Männer als auch für Frauen geeignet ist und keine geschlechterspezifischen Anpassungen benötigt.
Mobile Überwachung: Die EKG-Messung »To-Go«
Dank drahtloser Datenübertragung eignet sich das »CardioTEXTIL« für die kontinuierliche Überwachung der Herzfunktion zuhause ebenso wie als Event-Rekorder unterwegs. Die EKG-Daten werden dazu via Bluetooth vom Sensor an ein Relais übertragen und von dort via Internet oder Mobilfunk direkt an einen Arzt übermittelt, der die Daten nach dem Prinzip der Telemedizin auswertet. Auf Basis dessen können dann weiterführende Abklärungen eingeleitet werden oder im Ernstfall sogar die Rettungskette angestoßen werden.
Dezentrale Überwachung und Monitoring - Weiterentwicklung in »M3Infekt«
Aufgrund der Möglichkeit zur dezentralen Überwachung der Herzaktivitäten wird das »CardioTEXTIL« im Projekt »M3Infekt« unter der Leitung von Christian Münzenmayer weiterentwickelt. »M3Infekt« beschäftigt sich mit verschiedenen medizinischen Sensortechnologien, die ein dezentrales Monitoring von Gesundheitsparametern ermöglichen. Das »CardioTEXTIL« ist dabei unter den Technologien ein besonders gutes Beispiel, wie ein medizinisch zuverlässiges Monitoring bei gleichzeitig bequemer Anwendung auch im Alltag gewährleistet werden kann – beispielsweise zur Klärung von Arrhythmien. In diesem Zusammenhang spielt auch der Forschungsgebiet Neuromorphe Hardware am Fraunhofer IIS eine große Rolle. Mit einem neuromorphen Design könnte die EKG-Analyse zukünftig „on-Chip“ d.h. in der Elektronik möglich sein. Damit ist zur Verarbeitung der Daten ein Weiterschicken von EKG-Daten in eine Cloud nicht mehr zwingend nötig und das hätte Vorteile beispielsweise für die Datensicherheit. Das liegt allerdings noch in der Zukunft – der nächste Schritt ist das Abschließen der klinischen Tests.
Anwendungsszenario Pandemie
Auch im Hinblick auf das Patientenverhalten in Zeiten von Corona birgt das »CardioTEXTIL« sehr viel Potenzial. »In den vergangenen Monaten haben viele – auch Akut-Patienten mit kardiovaskulären Veränderungen – den Weg in ein Krankenhaus aufgrund der Angst vor Ansteckung gescheut und sind trotz Beschwerden zuhause geblieben. Aus diesem Verhalten resultierende Notfälle können mit dem Tragen eines »CardioTEXTIL« verhindert werden«, erklärt Christian Hofmann. Die Entwicklung als Medizinprodukt wird noch zwischen einem und zwei Jahren in Anspruch nehmen.