Die Informatiksammlung Erlangen – vorgestellt von zwei Insidern

18. Mai 2018

Die Speicherung und Verarbeitung von Daten hat eine lange Geschichte: Vom Mittelalter bis heute verwendeten die Menschen Rechenhilfsmittel, um damit ihre Rechenprobleme zu lösen. Die Informatiksammlung Erlangen ISER zeigt vom Rechenplättchen über den ersten Digitalrechner Zuse bis hin zum Integierten Schaltkreis, wie sich die Datenverarbeitung entwickelt hat.

Dr. Guido Nockemann, wissenschaftlicher Leiter der ISER, führt uns im Podcast durch seine Schätze und hat zu jedem Exponat eine kleine Anekdote parat.

Dr. Rainer Ulrich vom Fraunhofer IIS ergänzt die Podcasts mit seinen Erfahrungen.

 

300 Jahre v. Chr. bis ca. ins 16. Jahrhundert

Rechenhilfsmittel

Dr. Rainer Ulrich: »Rechenhilfsmittel haben wir wohl alle in der ersten Klasse kennengelernt. Meine Generation musste diese Zählplättchen noch selbst aus Pappe ausschneiden und anmalen.«

 

1623

Rechenmaschine von Wilhelm Schickard

 

Anfang des 20. Jahrhunderts

Rechenmaschinen und Leibnitz

 

Mitte des 20. Jahrhunderts

Rechenmaschinen mit Elektromotor

 

1947 bis 1970

Curta von Contina AG

 

1930er bis -40er Jahre

Elektrisches Relais

Dr. Rainer Ulrich: »Hier wage ich zu widersprechen: Relais sind platzsparender und weniger empfindlich, aber DEUTLICH langsamer als Elektronenröhren.«

 

1940er bis -60er Jahre

Vakuumröhren

Dr. Rainer Ulrich: »Röhren kenne ich aus meiner Kindheit von Radio und Fernseher. Sie wurden als Verstärker und nicht wie im Computer als Schalter verwendet. Die Dinger waren empfindlich gegen Erschütterung und brannten manchmal durch.«

 

1960er bis -70er Jahre

Transistoren

Dr. Rainer Ulrich: »Das Transistorradio von früher hatte elf Transistoren. Für Computer brauchte man Tausende. Zunächst waren die einzeln auf Platinen aufgelötet, später ging man zur Modulbauweise über.«

 

1950 bis in die 80er Jahre

Kernspeicher

Dr. Rainer Ulrich: »Die waagrechten und senkrechten Drähte sind die Schreibdrähte. Der mäanderförmig durch alle Kerne führende Draht ist der Lesedraht. Der im Bild gezeigte Speicher hat eine Kapazität von ganzen 64 Byte!«

 

1961 bis -67

Kernspeicher Zuse

 

1970er bis -80er Jahre

Zilog Z80

Dr. Rainer Ulrich: »Der Zilog Z80 hatte etwa 5000 Transistoren auf gut 10 mm² Größe. Unter dem Betriebssystem CP/M wurde er in sehr vielen Home und Personal Computern eingesetzt. Gegenüber dem 8080 von Intel war er höher integriert, brauchte nur eine Betriebsspannung und hatte viele sinnvolle zusätzliche Befehle und Register. Da er auch deutlich billiger war, war er sehr schnell weit verbreitet. Selbst heute bekommt man ihn noch als Funktionsbaustein für FPGAs oder als CMOS-Variante.«

 

1974 bis 1990er

Erste Chips und Motherboards

 

Bis in die 80er Jahre

Robuste Festplatten

Dr. Rainer Ulrich: »Das Bild zeigt einen Magnettrommelspeicher, den Vorgänger der Magnetplatte.«

 

1960er und -70er

Moderne Festplatten

Dr. Rainer Ulrich: »Festplatten waren früher groß, laut und teuer. Bei plötzlichem Stromausfall bestand immer die Gefahr, dass der Schreib-/Lesekopf auf der Platte aufsetzte und dadurch Schaden verursachte. Bevor so eine Platte abgeschaltet wurde, musste man immer erst die Köpfe in eine Parkposition fahren. Häufig gab es sogar noch Hebel, mit denen die Köpfe mechanisch verriegelt wurden, wenn man die Platte bewegen musste.«

 

1970er bis -80er

Wechselplatten und Bänder

Dr. Rainer Ulrich: »Beim Schreiben und Lesen liefen die Bänder nicht mit konstanter Geschwindigkeit, sondern meist ruckartig. Damit das Band dabei nicht riss, gab es Bandschlaufen, die mit Unterdruck angesaugt wurden. Einmal ist beim Lesen meines Bandes das Vakuum zusammengebrochen, das Band war danach mehrfach gerissen und damit unbrauchbar. Gott sei Dank hatte ich ein Backup.«

 

19. Jahrhundert

Lochkarten

Dr. Rainer Ulrich: »Als ich 1978 am RRZE meinen ersten Programmierkurs machte, mussten wir noch Lochkarten stanzen. Jede Karte stand für eine Programmzeile. Wenn man sich vertippt hatte, musste man von vorn anfangen: Ein Loch ließ sich eben nicht wegradieren. Wer wusste, wie‘s geht, konnte aber die alte Karte bis zum Fehler kopieren und dann weiterschreiben. In den letzten Spalten konnte man die Lochkarten nummerieren: Sehr hilfreich, wenn der Operator beim Einlegen der Kartenstapel unvorsichtig war und alles fallen ließ.«

 

1966

Vorhalterechner

 

Seit den 1970er Jahren

Tischrechner

Dr. Rainer Ulrich: »Einen programmierbaren Rechner von Diehl hatten wir in unserer Arbeitsgruppe 1974 am Gymnasium. Wir haben die Kreiszahl Pi durch Intervallschachtelung bestimmt. Alle paar Minuten ratterte das Druckwerk, wenn der Rechner mit einer weiteren Iteration fertig war. Nach fünf Tagen ununterbrochenem Betrieb ist dann das Netzteil kaputt gegangen. Mehr als 10 korrekte Stellen hatte er bis dahin aber nicht geschafft.«

 

1982

Rechner-Armbanduhr

Dr. Rainer Ulrich: »Eine Rechner-Armbanduhr hatte ich nie, da war ich zu wenig Nerd.«

 

1980er

Mikrocomputer

Dr. Rainer Ulrich: »Den Commodore 64
musste man an den Antenneneingang des Fernsehers anschließen. Mit der Programmiersprache BASIC und Klötzchengrafik konnte man auch Spiele programmieren. Das Programm konnte man über ein externes Laufwerk auf einer Tonkassette speichern. Wer viel Geld investierte, konnte auch ein Lesegerät für 5 ¼-Zoll-Disketten erwerben.«

 

1982

Homecomputer IBM PS/2-30

Dr. Rainer Ulrich: »Der IBM PS/2 war schon mindestens die vierte Generation der Personal Computer. Seine Festplatte mit einem 32-Prozessor war für damalige Verhältnisse riesig. Das hier dargestellte Einsteiger-Modell PS/2-30 war allerdings ein Schaf im Wolfspelz: Da war nur ein 16-bit Prozessor drin. Die PS/2-Reihe war wegen fehlender Hardwarekompatibilität zu Vorgängern kein Verkaufserfolg und läutete den Rückzug von IBM aus dem PC-Geschäft ein.«

 

1979 bis 1992

Raver-Rechner

Dr. Rainer Ulrich: »Die Atari-Rechner konnten Musik machen. Na ja, ich fand das Gedudel damals echt nervig, denn mit nur 8 Bit Auflösung hat es nicht wirklich gut geklungen.«

 

1980er bis heute

Erste Personal Computer

Dr. Rainer Ulrich: »CP/M-Systeme mit 8-bit-Prozessoren gab es schon eine Weile, bevor IBM 1981 den ersten PC herausbrachte. Er hatte einen 16-bit-Prozessor 8088 und zwei Floppy-Laufwerke. Das Display zeigte grüne Zeichen auf schwarzem Grund.«

 

1968

CDC 3300

Dr. Rainer Ulrich: »Rechner der Control Data Corporation gab es von Anbeginn des Rechenzentrums. Ende der 70er gab es dort eine Cyber 172, später zur Cyber 173 hochgerüstet. Die Architektur basierte damals noch auf 60-Bit-Worten. Ein Wort konnte einen Floating-Point-Wert speichern oder mit dem CDC-eigenen 6/12-Display-Code entweder 10 Großbuchstaben oder 5 Kleinbuchstaben. Bytes und ASCII-Codierung gab es damals bei CDC noch nicht. Anfang der 80er hatte nicht jeder Terminalberechtigung, viele mussten noch mit Lochkarten arbeiten.«

 

1973-1976

TR445 von Telefunken

Dr. Rainer Ulrich: »Die TR440 am RRZE war der einzige mit drei Prozessoren ausgerüstete Großrechner dieser Reihe. Die Bediensprache war Deutsch, die TR440 meldete sich mit »GIB KOMMANDO«. Bei den Lochkarten gab es Steuerkarten: $UEBERSETZE, $MONTIERE, $STARTE. Mit $ERZEUGE KOMMANDO definierte man eigene Befehle. Aus dem Stillstand wurde die TR440 von einem Lochstreifen gestartet. Der lagerte für Notfälle an besonderer Stelle, denn normalerweise lief die TR440 durch. 1983 wurde die kränkelnde TR440 stillgelegt.«

 

1941

Zuse Z23

Dr. Rainer Ulrich: »Die Z23 war lang vor meiner Zeit. Ich wusste geraume Zeit nicht mal, dass es so einen Saurier mal in Erlangen gab. Allerdings stand sie nie am Rechenzentrum, sondern am Mathematischen Institut in der Bismarckstraße.«

Die Informatiksammlung Erlangen

Ansprechpartner ist der wissenschaftliche Sammlungsleiter der ISER, Dr. Guido Nockemann:

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Lehrstuhl für Informatik 3
Martensstraße 3
91058 Erlangen
Telefon +49 9131 85-27006
guido.nockemann@fau.de

Führungen durch die ISER können entweder per Mail (iser@fau.de) oder über das ISER-Sekretariat vereinbart werden: +49 9131 85-27617

Dr. Guido Nockemann

Dr. Guido Nockemann ist der wissenschaftliche Sammlungsleiter der ISER Erlangen. Er pflegt und betreut die alten Rechenmaschinen und führt Besucher durch die ISER. Sein Ziel: das alte Wissen über die Maschinen bewahren und weitergeben. Mit einigen Rechenhilfsmitteln hat er in seiner Jugend selbst Erfahrungen gesammelt.

Kontakt:

Dr. Guido Nockemann
wiss. Sammlungsleiter
ISER (Informatik Sammlung Erlangen)
Universität Erlangen-Nürnberg
Lehrstuhl für Informatik 3
Martensstraße 3
91058 Erlangen
Telefon +49-9131 85-27006

© Fraunhofer IIS

Dr.-Ing. Rainer Ulrich

Dr. Rainer Ulrich ist langjähriger Mitarbeiter des Fraunhofer IIS. Er leitet die Gruppe IT-Sicherheit und Medientechnik. Von 1979 bis 1982 war er Hiwi am Rechenzentrum Erlangen – zuerst als Übungsleiter für den damaligen Fortran-Programmierkurs. Später als Programmierer für das Textverarbeitungsprogramm »TV« lernte er verschiedene Rechenmaschinen und Programme kennen. Zu einigen Ausstellungsstücken hat Rainer Ulrich sogar einen persönlichen Bezug.

Kontakt:

Dr.-Ing. Rainer Ulrich
Gruppenleiter IT Sicherheit
Fraunhofer Istitut für Integrierte Schaltungen IIS
Am Wolfsmantel 33
91058 Erlangen
Telefon +49 9131 776-2740
Fax +49 9131 776-2799

© Fraunhofer IIS/Karoline Glasow

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