Das Fraunhofer IIS ist beim Ausbau der 5G-Modellregion Braunschweig-Wolfsburg beteiligt. Welche Ziele wollen Sie damit erreichen?
Albert Heuberger: Die Modellregion ist ein gemeinsames Projekt mit den Forschungspartnern Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, der TU Braunschweig, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt sowie vielen Partnern aus der Wirtschaft. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fördert das Projekt mit 12 Mio. Euro.
Das Fraunhofer IIS agiert u.a. als technischer Koordinator, d.h. wir bilden die Schnittstelle zwischen dem Mobilfunknetzbetreiber und den Anwendern, arbeiten aber auch in eigenen Forschungsprojekten an 5G-Technologien für unterschiedliche Anwendungsfälle.
Der inhaltliche Fokus liegt auf 5G im Kontext einer Smart City und einer Smart Region. Wir werden hier wesentliche Fragestellungen der 5G-Technologie erproben. Hochtechnologie führt zu spannenden Projekten, diese zu interessanten Allianzen aus Industrie, Handwerk und Forschung und diese wiederum wirken anziehend auf Spezialisten und Fachkräfte.
Welche Möglichkeiten bietet 5G-Positioning?
Albert Heuberger: New Radio (NR) Positioning steigert die Genauigkeit der Positionsbestimmung. Die Technologie wertet dadurch bereits existierende Use Cases, wie z.B. mobile Roboter in der Industrie, massiv auf und ergänzt deren Möglichkeiten. Unser Ziel ist es, das Potenzial von 5G NR-Positioning zu evaluieren und zu realisieren. Wir haben dazu für die Deutschen Telekom AG eine große Studie erstellt und die praktische Umsetzung in einem gemeinsamen Forschungsprojekt erprobt. Die Telekom arbeitet dabei eng mit Kunden und Partnern zusammen, um die Use Cases zu identifizieren und umzusetzen, die von LTE- und 5G NR-Positioning profitieren können.
Weitere Informationen: High Precision Positioning in 5G
Wie kann der konkrete Einsatz von 5G im industriellen Kontext aussehen?
Albert Heuberger: Zum Thema 5G im Maschinen- und Anlagenbau erstellt das Fraunhofer IIS aktuell zusammen mit dem VDMA und seinen Mitgliedsunternehmen einen Leitfaden. Die VDMA-Mitglieder bestimmen und beschreiben die zu betrachtenden Anwendungen und setzen die thematischen Schwerpunkte. Das Fraunhofer IIS koordiniert die Erstellung des Leitfadens und fügt spezifisch notwendiges 5G-Knowhow hinzu. Kernthemen sind Aufbau der Infrastruktur, Betrieb von Campusnetzen, 5G in der Produktion und 5G als Schnittstelle im Produkt. Der Leitfaden wird die VDMA-Mitglieder unterstützen, ihre Produktionsprozesse mit 5G zu verbessern.
Welchen Nutzen hat die Initiative 5G Bavaria für die angewandte Forschung und für Ihre Kunden?
Albert Heuberger: Die Initiative »5G Bavaria« des Fraunhofer IIS begleitet den Übergang von der Forschung und Standardisierung in die Anwendung. Sie umfasst im Einzelnen ein Testzentrum am Fraunhofer IIS in Erlangen und verschiedene Testbeds in Bayern. Das Vorhaben wird gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie.
Das Testzentrum am Fraunhofer IIS ist die erste Anlaufstation für die Umsetzung geplanter 5G-Anwendungen. Hier simulieren wir neue Übertragungstechnologien; beispielsweise um vorauszusagen, ob sie den Anforderungen der jeweils geplanten Anwendungsfälle entsprechen, oder um die Leistungsfähigkeit unterschiedlicher technologischer Ansätze zu vergleichen.
Zeigt die Simulation vielversprechende Ergebnisse, ist die erste Hürde genommen. Der nächste Schritt ist die Emulation, also das Testen der Funktechnologien in Echtzeit unter möglichst realitätsnahen Bedingungen. Dazu werden reale Übertragungssituationen und -bedingungen durch spezielle Soft- und Hardware nachgebildet. Anwender erhalten im Testzentrum ein schnelles Feedback über die Nutzbarkeit von 5G für ihre speziellen Anforderungen und können so frühzeitig Verbesserungsmöglichkeiten für ihre Anwendungen erarbeiten.
Ergänzend zum 5G-Testzentrum bereiten wir den Aufbau und Betrieb eines Industrie-4.0-Testbeds in Nürnberg sowie eines Automotive-Testbeds in Rosenheim vor. Des weiteren wird eine Pilotstudie in Bezug auf ein 5G-Satelliten-Testbed durchgeführt. Die Testbeds dienen dazu, konkrete Use Cases der Anwender mit 5G-Technologie zu erproben, um die Möglichkeiten und Grenzen von 5G auszutesten – und das bevor 5G flächendeckend verfügbar ist. Die 5G-Testumgebungen beziehen dabei die reale Infrastruktur Stadtgebiet, Landstraßen, Autobahnen und Industriehallen mit ein, um erste 5G-Anwendungen im kleinen Maßstab zu realisieren.
Die Testbeds können von Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen für Feldversuche genutzt werden. Ebenso stehen sie für die Nutzung im Rahmen öffentlicher Forschungsprojekte zur Verfügung.
Weitere Informationen: 5G Bavaria – Testzentrum und Testbeds für 5G-Technologien