15. Mai 2023 | Röntgentechnik für besseren Kaffee
»Die Homogenität und Dauer des Durchflusses im Siebträger ist das Entscheidende«, betont Michael Salamon vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS. »Das Wasser muss möglichst gleichmäßig durch das Kaffeepulver fließen und darf keine Kanäle bilden.« Er erklärt, wie 4D-Röntgentechnik helfen kann, Kaffee aus Kaffeepulver optimal zu extrahieren.
Wässriger, saurer Espresso: Ein Alptraum für jeden Kaffeeliebhaber. Dafür verantwortlich ist oftmals das sogenannte Phänomen des Channelings – der Kanalbildung: Da sich das Wasser bei der Extraktion immer den Weg des geringsten Widerstands sucht, entstehen im mit Kaffeepulver gefüllten Siebträger der Espressomaschine schnell Kanäle. Sie verhindern, dass das gesamte Kaffeemehl gleichmäßig durchflossen und die Bestandteile des Kaffees optimal herausgelöst werden. Darunter leiden Geschmack und Crema des Espressos. Vermeiden kann man das Problem durch den richtigen Mahlgrad, Anpressdruck und eine gleichmäßige Verteilung des Pulvers. Dies gilt für Siebträger-Maschinen und Kaffeekapseln gleichermaßen.
Kein Wunder also, dass Hersteller großes Interesse daran haben, dass das Wasser ohne Kanalbildung durch die Maschine fließt. Hier kommen Gruppenleiter Michael Salamon und sein Team ins Spiel: Mithilfe von 4D-Computertomographie-Scans haben sie verschiedene Maschinen beim Prozess der Extraktion beobachtet und gemessen. Sie wollten der Frage auf die Spur kommen: Wie lässt sich Kaffee aus Kaffeepulver optimal extrahieren?
»Der Einblick in den Extraktionsprozess ist sehr wertvoll für die Optimierung der Extraktion. Für neue Kaffee-Zubereitungsarten bietet das eine gute Möglichkeit, um die Simulation am Computer zu unterstützen«, betont der Gruppenleiter. Zur Messung werden die Maschinen in ein horizontal rotierendes CT-System gestellt und von allen Seiten geröntgt. Mit einer zeitlichen Abtastung von bis zu drei Tomographien pro Sekunde lässt sich später der Durchfluss des Wassers genauestens beobachten und anhand dessen der optimale Mahlgrad und Anpressdruck des Kaffeepulvers ermitteln. Mit Hilfe der Technologie lassen sich Prozesse beobachten, die bislang nur auf Basis von mathematischen Modellen und Simulationsrechnungen angenommen wurden. Der Einblick in den realen Vorgang ermöglicht es, diese Simulationsergebnisse zu validieren und weitere Einflussfaktoren auf die Extraktionsqualität des Kaffes zu finden.
Vor allem Kapselhersteller zeigen großes Interesse an der stetigen Verbesserung ihres Produkts. Mittels der 4D-CT ist es nämlich ebenso möglich, den Extraktionsprozess in der Kapsel zu analysieren und dabei die Wasserverteilung im zeitlichen Verlauf darzustellen. So lassen sich mögliche Leckagen in der Brühgruppe erkennen, welche dazu führen, dass überschüssiges Wasser den Espresso verdünnt. Hier können die CT-Scans helfen, »die Kapselform zu optimieren« so Michael Salamon.
Das Fraunhofer IIS leistet auf diesem Gebiet Pionierarbeit: »Wir sind meines Wissens die einzigen, die das in diesem Maßstab machen.« Ein Paper zu den Ergebnissen steht bereits kurz vor der Veröffentlichung. Kaffee-Liebhaber auf der ganzen Welt können gespannt sein.
Text von Lucas Westermann, Redaktion Fraunhofer IIS