Smart Circular Economy

12. Dezember 2024 | Dr. Lydia Bühler forscht am Fraunhofer IIS zur zirkulären Wirtschaft

Recycling – eine Strategie mit der wir uns vermutlich alle schon einmal auseinandergesetzt haben, vor allem im Zusammenhang mit Abfallentsorgung. Recycling ist außerdem eine der zehn sogenannten »R-Strategien«, die in der Circular Economy oder auch »Kreislaufwirtschaft« zum Einsatz kommen. Mit Dr. Lydia Bühler, Gruppenleiterin im Bereich Supply Chain Services des Fraunhofer IIS, sprechen wir im Interview über die Bedeutung und Umsetzung der Smart Circular Economy und wie diese unter anderem auf das Sustainable Development Goal (SDG) 12 einzahlt.

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Hallo Frau Bühler, schön, dass Sie sich die Zeit nehmen mit uns heute über das Thema »Smart Circular Economy« zu sprechen. Welche Bedeutung hat dieser Begriff, auch in Zusammenhang mit der Forschung am Fraunhofer IIS?

Circular Economy steht für eine nachhaltige, ressourcenschonende Wirtschaftsweise, die durch Innovationen wettbewerbsfähig bleibt. D.h. Wirtschaftswachstum findet weiterhin statt, aber dafür sollten im besten Fall keine natürlichen Rohstoffe abgebaut werden. Der Begriff »Smart« bezieht sich dabei auf die Nutzung digitaler Technologien und der daraus generierten Daten. Für uns als Fraunhofer IIS bedeutet die Arbeit an der Smart Circular Economy, dass wir Unternehmen helfen, mit digitalen Technologien und Daten zirkuläre Initiativen in der Produktion sowie im Produktdesign, der Produktnutzung und der Produktverwertung umzusetzen. Das Ziel ist, Stoffkreisläufe durch Recycling und Wiederverwendung zu schließen, Ressourcenverbrauch und Abfälle zu minimieren und generell die Lebensdauer von Produkten und Komponenten durch nachhaltiges Design, Wartung und Reparatur zu verlängern.

Wie setzt man Circular Economy in der Praxis um? Haben Sie ein Beispiel, dass Sie uns vorstellen könnten?


Unternehmen können Circular Economy durch die sogenannten R-Strategien umsetzen, wie z.B. »Reduse«, »Reuse«, »Repair« oder »Recycle«, die auch als Circular-Economy-Strategien bekannt sind. Es gibt insgesamt zehn R-Strategien, die von der Transformation von Geschäftsmodellen bis hin zur Optimierung des Produktlebenszyklus reichen, oft mit dem Ziel, Materialien wieder in den Kreislauf zu führen. Ein Beispiel ist unser Forschungsprojekt »Future Car Production«, in dem wir gemeinsam mit anderen Fraunhofer-Instituten zukunftsweisende Karosseriekonzepte für einen nachhaltigen Fahrzeugbau untersuchen. Dabei erarbeiten wir Methoden und Werkzeuge, die Unternehmen der Automobilbranche dabei unterstützen, zirkuläre Karosseriestrukturen zu entwerfen, zu bewerten und schließlich auch umsetzen.
 

Diese Strategien deuten auf das Sustainable Development Goal 12 (SDG 12) hin. Dieses beinhaltet nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster. Wie blicken Sie auf das SDG 12?
 

An sich zahlt Smart Circular Economy auf viele verschiedene SDGs ein: Sie bildet einen Rahmen für den Einsatz der R-Strategien, welche wiederum zur Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen beitragen – bspw. zum Thema »bezahlbare und saubere Energie«, also dem SDG 7 oder zum SDG 9, »Industrie, Innovation und Infrastruktur«. Unsere Projekte am Fraunhofer IIS richten sich vorwiegend an das produzierende Gewerbe und passen daher am besten in das SDG 12. In der Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern aus Unternehmen in Industrie- oder Forschungsprojekten spielen die SDGs aber eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es bei uns um politische Initiativen oder Gesetze, beispielsweise auf EU-Ebene, wie die EU-Taxonomie oder die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).
 

Wie beschäftigt sich das Fraunhofer IIS mit Smart Circular Economy?
 

Wir am Fraunhofer IIS beschäftigen uns insbesondere mit drei Themenbereichen, die Unternehmen dabei helfen können, R-Strategien oder zirkuläre Initiativen umzusetzen: der Gestaltung neuer zirkulärer Geschäftsmodelle und smarter Services, der Nutzung föderierter Datenökosysteme wie Manufacturing-X als Infrastruktur zum Teilen der Daten, sowie den Chancen des digitalen Produktpasses. Die EU hat diesen Sommer die »Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR)« erlassen, eine Regulatorik, die ab dem Jahr 2027 von Unternehmen für erste Produktgruppen die Einführung eines digitalen Produktpasses fordert. Das ist ein Datensatz, der Materialinformationen, Produktionsdaten und Details zum Lebenszyklus beinhaltet und eine größere Transparenz für alle Stakeholder schaffen soll.
 

Welche Potenziale schlummern in der Zukunft der smarten Kreislaufwirtschaft?
 

Die Potenziale einer smarten Kreislaufwirtschaft, insbesondere für produzierende Unternehmen, sind vielfältig. Aus ökologischer Sicht kann es Unternehmen durch die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft gelingen, Ressourcen einzusparen, indem sie Produkte beispielsweise am Ende einer Nutzungsphase wieder zurückholen. Dies führt nicht nur zu einer Reduktion des Ressourcenverbrauchs, sondern auch zu Kostensenkungen. Denn längere und schlauere Produktions- und Nutzungszyklen verringern die Abhängigkeit von teuren Rohstoffen. Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) hat ergeben, dass die Umsetzung einer zirkulären Wirtschaft die Treibhausgasemissionen in der Industrie bis 2050 um circa 30 bis 50 Prozent senken kann. So können Unternehmen einen erheblichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Gleichzeitig machen die Wiedernutzung von Materialien und die geringere Abhängigkeit von Rohstoffen die Unternehmen resilienter und flexibler in der Reaktion auf Marktveränderungen. Und noch ein Punkt: Mit Smart Circular Economy können zusätzliche digitale Services entwickelt und als Geschäftsmodell angeboten werden, was natürlich die Wertschöpfung und den Umsatz steigert. Insgesamt lässt sich also feststellen: Die Integration einer smarten Kreislaufwirtschaft ist für Unternehmen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch vorteilhaft.

 

Vielen Dank, Frau Bühler, für das Gespräch.

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