Transistoren im Dauerstress

22. Oktober 2024 | Mehr Nachhaltigkeit durch zielgerichtete Prüfung elektronischer Komponenten

Viele Elektrogeräte fallen frühzeitig aus, weil ihre Chips versagen – und werden weggeworfen. Um elektronische Bauteile zuverlässiger und damit nachhaltiger zu machen, werden am Fraunhofer IIS die Kernkomponenten der Chips, die Transistoren, mit aufwändigen Prüfungen und Computermodellen getestet.

In so gut wie jedem elektrischen Gerät sind heute Halbleiterchips verbaut. Im Handy sind es Dutzende, im Auto mehr als tausend. Selbst einfache Gegenstände wie Autoschlüssel oder LED-Lampen werden über Chips gesteuert. Sie haben dazu geführt, dass viele Elektrogeräte heute komfortabler sind und viele Extrafunktionen bieten – zum Beispiel Autoschlüssel, mit denen sich an heißen Tagen aus der Ferne die Fenster öffnen lassen, um vor dem Einsteigen zu lüften. Doch mit der wachsenden Zahl an Chips, steigt auch die Gefahr, dass die Technik versagt. Ein fehlerhafter Chip kann dazu führen, dass das Gerät ausfällt, obwohl die anderen Bauteile noch funktionstüchtig sind. Der Austausch eines einzelnen Chips ist in der Regel technisch nicht vorgesehen und viel zu teuer. Viele Produkte landen daher vorzeitig im Elektroschrott. Wertvolle Rohstoffe werden so verschwendet.

Herzstück der Elektronik im Test

Dr. Katrin Ortstein arbeitet daran, Elektronik haltbarer und damit nachhaltiger zu machen. Dafür fängt die Physikerin und Leiterin der Gruppe »Qualität und Zuverlässigkeit« am Fraunhofer IIS in Dresden ganz an der Basis der Chipfertigung an – bei den Transistoren, jenen winzigen Strukturen, aus denen die elektronischen Schaltungen auf den Chips aufgebaut werden. Katrin Ortstein und ihr Team am Institutsteil Entwicklung adaptiver Systeme sind darauf spezialisiert, neue Transistortypen und -technologien zu prüfen, ehe diese in großer Zahl in der Industrie eingesetzt werden. »Zu uns kommen sowohl die Halbleiterfertiger als auch Autohersteller und Entwickler von Verbraucherelektronik, um neue Transistortechnologien testen zu lassen«, sagt Katrin Ortstein. In den Dresdner Labors werden die Transistoren viele Stunden lang unter Stress gesetzt. Sie werden auf bis zu minus 40 Grad Celsius abgekühlt und auf bis zu 200 Grad erhitzt und außerdem hohen elektrischen Spannungen ausgesetzt.

Kombination aus Prüfung und Modellierung

© Fraunhofer IIS / BLEND3 Frank Grätz
Die Kunst besteht darin, die Messphasen so kurz wie möglich zu halten, da sie die Stressphase unterbrechen und dadurch die Alterung des Transistors beeinflussen.

Die Idee besteht darin, die Transistoren in kurzer Zeit so stark zu belasten, wie es der natürlichen Alterung über viele Jahre entspricht. Da sich die punktuelle Belastung nicht eins zu eins mit all den verschiedenen Lasten vergleichen lässt, die ein Bauteil im Laufe seines Lebens erfährt, entwickelt das Team aus den Messwerten zudem mathematische Modelle. »Die Modelle nutzen wir oder unsere Partner, um das Verhalten der Transistoren unter typischen Betriebsbedingungen über längere Zeiträume zu simulieren. Diese Kombination aus technischer Prüfung und Modellierung zeichnet unsere Arbeit aus«, sagt Katrin Ortstein. Die Chipentwickler können diese Modelle dann später am Computer für das Design, die Optimierung oder auch Validierung von neuen Schaltkreisen und Chips verwenden, die aus diesen Transistoren aufgebaut werden. »Damit kann man schon während des Entwurfs Schaltungsdesigns identifizieren, die später vorzeitig versagen würden – also lange bevor man mit der Produktion einer Vorserie beginnt«, sagt Katrin Ortstein. »Das ist besonders nachhaltig, weil dadurch vermieden wird, dass man unnötig Energie und Rohstoffe verbraucht.«

Extrem kurze Messungen

Am Fraunhofer IIS werden die Transistoren mit verschiedenen Tests geprüft. Üblicherweise werden die Transistoren über einige Stunden einem gewissen Stress ausgesetzt, beispielsweise einer erhöhten Spannung und einer erhöhten Temperatur. Zwischendurch wird immer wieder gemessen, wie sich die Transistoreigenschaften mit zunehmender Stressdauer verändern. Die Kunst besteht darin, diese Messphasen so kurz wie möglich zu halten, da sie die Stressphase unterbrechen und dadurch die Alterung des Transistors beeinflussen. Mit der Technik am Institutsteil Entwicklung adaptiver Systeme dauert eine Messphase gerade einmal fünf Mikrosekunden. Damit ist das Team um Katrin Ortstein deutlich schneller als vergleichbare Prüfverfahren, die nach den üblichen Normen durchgeführt werden. Da liegt eine Messung üblicherweise im Millisekundenbereich – und ist damit mehrere Hundertmal langsamer.

Ortsteins Team ist außerdem in der Lage, bei den Prüfungen und Modellierungen sehr genau auf die spezifischen Anforderungen der Kunden einzugehen. Eine Besonderheit der Prüfungen ist unter anderem, dass Stress so an den Transistor angelegt werden kann, wie es den realen Bedingungen beim späteren Einsatz entspricht. So wird beispielsweise alternierender Stress angelegt, der in einem gewissen Rhythmus zu- und abnimmt. Katrin Ortstein: »Insgesamt wollen wir den Schaltungsentwicklern eine effiziente Bewertung ermöglichen und sie dabei unterstützen, ihre Zuverlässigkeitsziele zu erreichen.«

 

Text von Tim Schröder, freier Wissenschaftsjournalist

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