Rennbolide mit Elektroantrieb

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Die Antriebstechnik der Zukunft ist elektrisch – davon sind Fraunhofer-Forscher überzeugt. Vom 14. bis 16. Mai präsentieren sie auf der Messe Sensor + Test in Nürnberg gemeinsam mit einem Industriepartner neuartige Batteriemanagement- und Stromsensorik-Lösungen – am Beispiel eines Elektro-Rennwagens. Damit liegen sie im Trend. Schließlich plant auch der internationale Autodachverband FIA, Ausrichter der Formel 1, eine eigene Rennserie für Elektroautos.

Von Null auf 100 in 3,6 Sekunden – so rasant beschleunigt nicht etwa ein Porsche Carrera oder ein Ferrari Scaglietti, sondern EVE – ein Rennwagen, der keine lauten Motorengeräusche verursacht. Denn EVE wird von zwei Elektromotoren, je einer pro Hinterrad, angetrieben. Bei einer maximalen Leistung von 60 Kilowatt bringen sie den E-Flitzer mit 4500 Umdrehungen pro Minute auf Touren. Der Sprinter erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 140 Stundenkilometer. Zwei Lithium-Polymer-Batterien mit einer Kapazität von insgesamt 8 Kilowatt pro Stunde (kWh) ermöglichen eine Reichweite von 22 Kilometer. Elektrotechnikstudenten vom E-Rennstall der Hochschule Esslingen haben das 300-Kilogramm-Auto neben ihrem Studium konstruiert. Sie sind damit bereits beim internationalen »Formula-Student-Electric«-Wettbewerb in Italien gestartet. Vom 14. bis 16. Mai wird der Bolide auf der Messe Sensor + Test in Nürnberg am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand (Halle 12, Stand 537) präsentiert. Forscher vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen haben die komplette Stromsensorik in enger Kooperation mit der Seuffer GmbH & Co.KG entwickelt – einem Industriepartner, mit dem sie seit mehr als elf Jahren zusammenarbeiten. Das Calwer Unternehmen sponsort die Studenten vom Team »E.Stall«.

»Das Thema Elektromobilität rückt immer mehr in den Mittelpunkt. Am Beispiel des Rennwagens können wir neuartige Sensoriklösungen, Batterie- und Energiemanagementkonzepte demonstrieren«, sagt Klaus-Dieter Taschka, Ingenieur am IIS. Neben Rädern, Bremsen, Dämpfereinheit, Batterien und Elektromotoren ist EVE mit zahlreichen Sensoren ausgerüstet: Dazu gehören Bremsdruck-, Crash-, Temperatur-, Beschleunigungs-, Gaspedal-, Bremspedal-, Geschwindigkeits-, Lenkwinkel-, Raddrehzahl- und Stromsensoren. Die letzteren sechs könnten zum Beispiel alle mit den
HallinOne®- Sensoren des IIS realisiert werden – einem 3D-Magnetfeldsensor, der unter anderem bereits serienmäßig in Waschmaschinen verbaut ist, um dort die Position und Lage der Wäschetrommel zu bestimmen.

Stromsensoren ermitteln Ladezustand der Batterie

Die beiden seitlich der Batterien angebrachten Stromsensoren nutzen die 3DMagnetfeldsensor- Technologie vom IIS, um das vom elektrischen Stromfluss erzeugte Magnetfeld zu messen und so den Ladezustand des Akkus zu ermitteln. Das Besondere: Die Sensoren messen berührungslos den Strom, der von der Batterie zum Motor fließt, und beim Bremsvorgang vom Motor zur Batterie zurückströmt. Die integrierte Sensorik erlaubt es, Störungen und Fremdmagnetfelder zu eliminieren, sodass eine hohe Messgenauigkeit garantiert ist. Ein weiterer Vorteil: Neben dem Strom lassen sich auch Größen wie Spannung und Temperatur der Batterie erfassen. Die ermittelten Werte werden an die Power Control Unit (PCU) und das Batteriemanagementsystem (BMS) übertragen, das die Lade- und Endladevorgänge kontrolliert.

Intelligentes Batteriemanagementsystem verlängert Akkulaufzeit

Limitierender Faktor aller Elektrofahrzeuge sind die kurzen Batterielaufzeiten und die begrenzte Lebensdauer der Akkus. Das BMS des Fraunhofer IIS in Nürnberg adressiert dieses Problem, indem es das Impedanzspektrum aller Batteriezellen ermittelt und permanent deren Funktionsfähigkeit prüft. So lassen sich Aussagen über den Gesundheitszustand, die aktuelle Kapazität oder die potentielle Lebensdauer der Zelle machen und genauere Laufzeitvorhersagen treffen.

Durch Alterung können die einzelnen Batteriezellen mit der Zeit weniger Energie speichern. Die Herausforderung liegt darin, die Nutzung der Zellen zu optimieren. »Bisher konnte einem Batteriesystem nur soviel Energie entnommen werden, wie in der schwächsten Zelle vorhanden ist. Die Energie der anderen Zellen blieb ungenutzt. Unser BMS verfügt über eine aktive Zellsymmetrierung, mit der sich Energie zwischen stärkeren und schwächeren Zellen transportieren lässt. So werden alle Zellen gleichmäßig belastet und die maximale Kapazität des gesamten Akkublocks kann verwendet werden «, erläutert Dr.-Ing. Peter Spies, Gruppenleiter am IIS in Nürnberg. Durch die aktive Ausbalancierung der Zellen während des Lade- und Entladevorgangs lassen sich Lebensdauer und Reichweite des Akkus vergrößern. »Das derzeit in EVE verbaute BMS ist eine Eigenentwicklung des ‚E.Stall‘. Es ließe sich aber durch unsere Lösung ersetzen«, sagt Spies.

Polarisationskamera erkennt Risse in Karosserie

EVE verfügt über kompakte Außenmaße, einen Stahl-Gitterrohrrahmen und eine Karosserie aus Carbon. Da auf der Piste hohe Belastungen auf die Kunststofffasern wirken, können winzige Risse im Material auftreten. Um die Schäden frühzeitig zu erkennen, misst eine vom IIS in Erlangen entwickelte Polarisationskamera Spannungen in der Carbonstruktur (nicht lackierte Flächen). POLKA heißt die handliche Kamera, die die Kratzer sichtbar macht. Sie registriert Eigenschaften des Lichts, die dem menschlichen Auge verborgen bleibt – die Polarisation. Bei Materialspannungen im Kunststoff ändern sich die Polarisationseigenschaften. POLKA bestimmt die gesamte
Polarisationsinformation mit einer einzigen Aufnahme und einer Geschwindigkeit von bis zu 250 Bildern pro Sekunde pixelgenau. Die zugehörige Software übersetzt die gewonnenen Informationen über Intensität, Winkel und Grad der Polarisation durch eine online-Farbcodierung in eine für das menschliche Auge geeignete Darstellung. Das System wird ebenfalls am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand präsentiert. »Wir sind davon
überzeugt, dass EVE dank innovativer Technik sehr gute Leistungen auf
umweltbewusstem Niveau bringen wird«, sagt Rolf Kleiner, Gruppenleiter der Abteilung Batterie-Technik bei Seuffer. Dies können die Studenten vom Team »E.Stall« schon bald beweisen: Noch in diesem Jahr gehen sie mit EVE bei Formula-Student-Rennen in Italien, Spanien und Tschechien an den Start.