Data Analytics und KI in der Logistik – Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS auf dem Deutschen Logistik-Kongress 2020 in Berlin
Vom 21. bis 23. Oktober 2020 präsentiert die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS auf dem Deutschen Logistik-Kongress in Berlin Data Analytics- und KI-Methoden, die die Supply Chain revolutionieren, beispielsweise bei der Netzwerkoptimierung, Kennzahlenermittlung, Mitarbeitereinsatzplanung oder der Ereignisvorhersage von Verspätungen, Kundenbedarfen und Lagerbeständen. Auf dem Stand LA08 im Hotel Intercontinental informiert Fraunhofer SCS ebenso über neueste Daten und Entwicklungen im Logistikmarkt; u. a. auf Basis der komplett überarbeiteten europäischen Edition der »TOP 100 der Logistik« bzw. der Logistikimmobilien-Plattform »L.Immo online«.
Mit Supply Chain Analytics zu einer optimierten Logistik
Mit Hilfe von Data Analytics können immer mehr Anwendungen in der Supply Chain optimiert werden; beispielsweise im Netzwerkmanagement, bei der Kennzahlenermittlung, der Vorhersage von Kundenbedarfen, notwendigen Lagerbeständen oder kritischen Ereignissen, wie z.B. Verspätungen. Gerade in der Prognose stecken große Potenziale; vor allem, wenn die richtigen Verfahren intelligent kombiniert werden. Deshalb werden aktuell unter anderem in den nachfolgend beschriebenen Forschungsprojekten »KITE«, »PRODAB« und »BSH-Ersatzteilprognose« Prognose- und Optimierungsmethoden so miteinander verknüpft, dass Tourenplanungen, logistische Prozesse und Ersatzteilbedarfe besser vorhergesagt und damit effizienter bearbeitet werden können:
»KITE«: Mit mathematischer Optimierung Touren feingranularer planen und prognostizieren
Eine der großen Herausforderungen im Umgang mit dem Klimawandel ist die Senkung der Treibhausgasemissionen im Verkehr. Gerade der gewerbliche Güterverkehr hat dabei hohes Potenzial, denn ein beträchtlicher Anteil der LKW-Fahrten ist nicht optimal ausgelastet. Im Projekt »KITE« entwickeln Forscherinnen und Forscher der Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS deshalb ein neues KI-basiertes Verfahren zur Tourenplanung, mit dem Leerfahrten reduziert werden können. Als Projektpartner engagieren sich die Optitool GmbH, die BLG Logistics Group AG & Co. KG sowie die Schmahl & Stoepel GmbH für die Emissionsreduktion.
»KITE« ist die Fortsetzung des Projekts »KIVAS«, das die bessere Auslastung im Straßengüterverkehr mit KI-gestützten Kurzzeitprognosen erforschte. Dessen Kernfrage war, wie Nachfrage nach Frachtvolumen vorhergesagt werden kann. Die Forscherinnen und Forscher untersuchten hierzu eine Vielzahl an Einflussgrößen, wie Wettervorhersagen, kalendarische Effekte (z. B. Feiertage, Wochenenden etc.), Konjunkturdaten sowie sozioökonomische Daten (z. B. Arbeitslosenstatistiken) auf ihren prädiktiven Mehrwert. Diese Daten wurden für 17 Niederlassungen zweier Unternehmen evaluiert, um zu ermitteln, welche Einflussgrößen die Prognose des Transportvolumens tatsächlich optimieren könnte. Dabei zeigte sich, dass vor allem das Wetter und kalendarische Effekte einen großen Einfluss auf die Kurzzeitprognose der beteiligten Unternehmen haben. Somit konnte »KIVAS« nachweisen, dass sich das Frachtvolumen für einzelne Spediteure auf Niederlassungsebene prognostizieren lässt.
Im Projekt »KITE« soll nun eine feingranularere Prognose und deren Verknüpfung mit mathematischer Optimierung zur Tourenplanung ermöglicht werden. Hier werden gegenüber dem Vorgängerprojekt fünf weitere Unternehmen betrachtet. Die in »KITE« entwickelten Verfahren sollen nach Projektende in ein Softwareprodukt überführt werden, das von den beteiligten Speditionspartnern und weiteren Unternehmen genutzt werden kann.
Die Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS sucht für »KITE« laufend Forschungspartner, um die im Projekt entwickelten Verfahren bei verschiedenen Unternehmen zu evaluieren. Interessierte Unternehmen können sich an Herrn Benedikt Sonnleitner Fraunhofer SCS, wenden. Das Projekt ist insbesondere für Speditionsunternehmen interessant, die die Auslastungsquote ihrer LKWs verbessern wollen.
»PRODAB«: Mehr Transparenz in logistischen Prozessen durch Prozessdatenanalyse und -prognose mithilfe Bayes'scher Netze
Die Ursachen und Auswirkungen von Einflüssen und Störungen auf logistische Prozesse können Unternehmen bislang nur schwer messen. Im Projekt PRODAB werden diese für spezifische Prozesse nun systematisch erfasst und mithilfe von Bayes’schen Netzen abgebildet. Denn wenn Daten nicht in ausreichender Menge vorhanden sind, kann über Bayes’sche Netze Expertenwissen integriert werden. Die Software gibt anschließend Empfehlungen zur gezielten Prozessverbesserung oder zur optimalen Allokation von Ressourcen.
In einem konkreten Anwendungsfall kommen in »PRODAB« die Prozesse im innerbetrieblichen Transport auf den Prüfstand, insbesondere die Logistikplanung, die Kommissionierung und der Warenausgang. Mit einem Industriepartner soll ein Tool entwickelt werden, das dem Benutzer klar visualisiert, wo, wann und welche Prozessabweichungen zu erwarten sind, damit schnellstmöglich auf Basis der ergänzend ebenfalls aufgezeigten relevanten Parameter zur Ursachenanalyse die richtigen Maßnahmen ergriffen werden können. Dafür muss nicht nur klar sein, wie die einzelnen Bereiche zukünftig – hier im Zeithorizont eines Tages – aufgrund des Sendungsaufkommens ausgelastet sein werden, sondern auch welche Lieferungen bis zu welchem Zeitpunkt verladen sein müssen. Nur dann können die kritischen Prozessschritte identifiziert und beispielsweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rechtzeitig umbeordert oder Lieferungen anders priorisiert werden.
Deshalb analysieren die Forscher und Forscherinnen die Durchlaufzeiten einzelner Lieferungen inkl. des Bearbeitungsaufwands pro Prozessschritt und bilden diese detailliert ab. Werden nun alle Lieferungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zusammengeführt, können die jeweiligen Über- und Unterbelastungen genau identifiziert und entsprechend individuelle Durchlaufzeiten pro Lieferung prognostiziert werden. Sobald die prognostizierte Zeit von der definierten Abschlusszeit abweicht, kann mit entsprechenden Maßnahmen gegengesteuert werden.
»BSH-Ersatzteilprognose«: Genauere Bedarfsplanung für Ersatzteile mit maschinellem Lernen
Die BSH Hausgeräte GmbH in Fürth ist einer der größten Hausgerätehersteller in Europa. Durch die Zusammenarbeit mit Experten und Expertinnen der Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS und des ADA Lovelace Centers for Analytics, Data and Applications in Nürnberg wollte BSH Kosten reduzieren, die durch die Lagerung von Ersatzteilen entstehen. Dafür wurde auf Basis von Methoden des maschinellen Lernens ein Langzeitprognose-Tool für den Allzeitbedarf der Ersatzteile entwickelt. Dank der KI-Methode kann das Unternehmen heute Lagerräume besser nutzen, Über- und Unterdeckung reduzieren und Verschrottungskosten minimieren. Das entwickelte Tool wird nun zur Unterstützung von Disponenten weltweit eingesetzt.
Für mehr Transparenz im Logistikmarkt: Erste Kennzahlen aus der »TOP 100 der Logistik 2020/21«
Die Arbeitsgruppe SCS arbeitet im logistischen Umfeld nicht nur an KI-gestützten Prognoseverfahren für effizientere Prozesse, sondern auch daran, durch genaue Analysen mehr Transparenz im Logistikmarkt herzustellen: Und so erscheint auch dieses Jahr wieder eine neue Ausgabe der »TOP 100 der Logistik«. Die aktuelle Studie zeigt, dass die Logistikwirtschaft in Deutschland in 2019 um rund 2,5 % auf ein Volumen von rund 285 Mrd.€ gewachsen ist. Die in der letzten Ausgabe der TOP 100-Studien für den europäischen Logistikmarkt veröffentlichte analytische Prognose für das Jahr 2019 wurde damit getroffen. Das Wachstum der real zu bewältigenden Aufwände lag knapp unter einem Prozentpunkt, der größere Teil des Wachstums ist einem Preisauftrieb geschuldet, der insbesondere durch gestiegene Löhne für die insgesamt rund 3,3 Mio. Erwerbstätigen in der Logistik in Deutschland zustande kommt. Zwar hat sich zur zweiten Jahreshälfte 2019 die Wirtschaftslage etwas eingetrübt, in der Gesamtschau zeigt sich 2019 aber dennoch als solides Logistikjahr. Bedingt durch die ab 2020 wirkende Corona-Pandemie wird 2020 jedoch deutlich schlechter abschließen und bereits jetzt zeichnet sich ein deutlicher Einbruch des Logistikvolumens ab. Die aktuelle Ausgabe »TOP 100 der Logistik 2020/21« mit noch mehr Zahlen und Einschätzungen wird auf dem Deutschen Logistik Kongress in Berlin vorgestellt und ist anschließend über den DVV Verlag zu beziehen.