Adaptive Prozessführung beim Schleifen mit wirkstellennaher Sensorintegration

Bei automatisierten Schleifprozessen, beispielsweise zur Herstellung von Getriebezahnrädern in Wälzschleifmaschinen, werden hohe Anforderungen an die Genauigkeit und Güte des Schleifvorgangs gestellt. Das Wälzschleifen ist der finale formgebende Prozess in der Fertigungskette. 

Ausgangssituation

Beim Wälzschleifen ergeben sich besondere Herausforderungen und Probleme, da mit einer geometrisch unbestimmten Schneide gearbeitet wird. Das bedeutet, dass die Schleifkörner auf der Schleifscheibe stochastisch verteilt sind, was zu unvorhersehbaren Bearbeitungseffekten führt. Darüber hinaus verändern sich die Schleifkörner durch Verschleiß und Konditionierung, wodurch die Effizienz und Genauigkeit des Prozesses beeinflusst wird.

Um die Prozesssicherheit zu gewährleisten, werden häufig hohe Sicherheitsfaktoren angewendet und die technologischen Parameter konstant gehalten. Jedoch führt diese Herangehensweise zu einer verringerten Produktivität, da die Möglichkeiten zur Optimierung nicht vollständig ausgeschöpft werden. Gleichzeitig führt die reduzierte Werkzeugstandzeit der Schleifscheiben zu erhöhten Werkzeugkosten.

Die Prozesssicherheit wird auch dadurch beeinträchtigt, dass es keine direkten Messgrößen zur Überwachung des Schleifscheibenzustands gibt. Dies führt dazu, dass der genaue Zustand der Schleifscheibe während des Prozesses unbekannt bleibt, wodurch neben der Prozesssicherheit auch die Effizienz weiter beeinträchtigt wird. Diese Ungewissheit verhindert, dass das Potenzial zur Prozessoptimierung der Schleifscheibe und Maschine vollständig genutzt wird.

Im Wälzschleifen ist somit noch erhebliches Optimierungspotenzial vorhanden, das durch verbesserte Überwachungsmechanismen und eine präzisere Steuerung des Schleifprozesses realisiert werden könnte.

Lösung

Eine wirkstellennahe Sensorintegration kann bei den Herausforderungen im Wälzschleifen erheblich zur Optimierung der Prozesse beitragen. Im Rahmen des Fraunhofer Cluster of Excellence Cognitive Internet Technologies (CCIT) haben das Fraunhofer IWU und Fraunhofer IIS einen Versuchsaufbau mit Sensor für Acoustic Emission (AE)-Messungen beim kontinuierlichen Wälzschleifen entwickelt.

Die Erfassung von AE, auch als Körperschall bezeichnet, bietet eine effektive Möglichzeit zur Prozessüberwachung des Wälzschleifens. Anhand von sogenannten Piezosensoren, die im MHz-Bereich arbeiten, können Hochfrequenzsignale aufgezeichnet werden, die durch mechanische Einwirkungen wie das Auftreffen der Schleifscheibe auf das Werkstück oder Kollisionen verursacht werden. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass Körperschall praktisch überall an Festkörpern gemessen werden kann, wodurch flexible Messpunkte und eine hohe Anwendungsvielfalt gegeben sind. Die sensible Sensorik ermöglicht dabei das kontinuierliche Überwachen des Schleifvorgangs und registriert im gesamten Prozessablauf Störstellen, Fehler oder beispielsweise Ausbrüche am Schleifkörper.

Für die AE-Sensorik wird jedoch eine hochratige Datenübertragung und eine leistungsfähige Messdatenverarbeitung benötigt, um die zu erfassenden Signale in voller Bandbreite zunächst zu übertragen. Auf Grundlade dieser Rohdaten können für einen Prozess auf einer Maschine auch Algorithmen zur Anomalie-Detektion und Fehlererkennung angelernt werden und später als sensornahe KI zur Datenreduktion und Ereigniserkennung direkt am Sensor beitragen.

Für die Messung des Körperschalls beim kontinuierlichen Wälzschleifen wurde ein spezieller Versuchsaufbau entwickelt, der eine präzise Erfassung der Signale und deren Übertragung sicherstellt.

Energieübertragung

Für die Energieversorgung des AE-Sensors wird ein induktiver Koppler eingesetzt, welcher eine berührungslose und permanente Energieübertragung ermöglicht, ohne die mechanischen Abläufe zu stören. 

Gehäuse

Der AE-Sensor ist in einem speziell konzipierten Gehäuse integriert, das eine wirkstellennahe Installation am Schleifwerkzeug mit direktem Kontakt zur Schleifscheibe ermöglicht. Dadurch sollen die Körperschallsignale möglichst präzise erfasst werden. 

Datenübertragung

Die AE-Daten werden über eine kontaktlose, kapazitive Datenübertragung an die Auswerteinheit gesendet. Diese Methode ermöglicht hohe Datenraten von bis zu 16 Mbit/s um die Rohdaten des AE-Sensors in voller Bandbreite zu übertragen.

Schleifscheibe

Die Sensorelektronik ist platzsparend integriert und ermöglicht so, Standardschleifscheiben zu verwenden. Die Bearbeitung ist dadurch besonders effizient, da bis zu 90 % des Durchmesserbereichs der Schleifscheibe genutzt werden können, welches einer hohen Materialausnutzung entspricht. 

Nutzen

Die adaptive Prozessführung beim Wälzschleifen unter Einsatz wirkstellennaher Sensoren bietet in mehreren Hinsichten einen Nutzen.

Mit dem Store & Forward-Ansatz werden während des Schleifprozesses kontinuierlich Messdaten von den kabellosen Sensoren aufgezeichnet und für eine nachgelagerte Analyse gespeichert. Diese Daten liefern wertvolle Erkenntnisse über Werkzeugverhalten und Verschleißprozesse, die zur Unterstützung der Prozessauslegung genutzt werden können. Zusätzlich helfen die Informationen bei der Schneidmittelentwicklung, indem sie Einblicke in das Verhalten der Schleifmittel unter verschiedenen Bedingungen ermöglichen. So kann der Schleifprozess langfristig in zukünftigen Durchläufen gezielt angepasst und optimiert werden.

Die Sensoren ermöglichen darüber hinaus eine Live-Überwachung des Schleifprozesses in Echtzeit. Der Zustand der Schleifscheibe wird hierbei präzise erfasst und ermöglicht es, Werkzeugverschleiß im Frühstadium präventiv zu erkennen. Außerdem können Prozessanomalien wie Ausbrüche, Aufmaßschwankungen, Welligkeiten oder Schwingungen sofort detektiert und korrigiert werden, was die Prozesssicherheit erhöht. Die 100%-Überwachung dokumentiert jede einzelne Schleifoperation vollständig, was die Produktrückverfolgbarkeit verbessert und nachgelagerte Prüfkosten reduziert, da potenzielle Fehlerquellen bereits während des Prozesses identifiziert und beseitigt werden können.

Die Sensordaten ermöglichen eine dynamische Prozessregelung auf Basis des Werkzeugstandes. Anstatt auf konservative Sicherheitsfaktoren zu setzen, können die Schleifparameter an den tatsächlichen Zustand der Schleifscheibe angepasst werden, sodass die Sicherheitsfaktoren reduziert und damit die Werkzeugkosten gesenkt werden können. Anhand der Bewertung des Schleifscheibenzustands im Prozess kann die Zahl der notwendigen Abrichthübe minimiert werden. Durch die gezielte Steuerung von Vorschub und Shiftvorschub lässt sich der Schleifprozess weiter optimieren. Der Abbau von Sicherheiten sorgt insgesamt für eine Produktivitätssteigerung. 

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