Digitale Souveränität – technologische Selbstbestimmung in Europa erhalten

15.06.2022 | Ein Statement von Prof. Albert Heuberger, geschäftsführender Institutsleiter Fraunhofer IIS

Ob am Arbeitsplatz oder im Alltagsleben, ob zur Bekämpfung des Klimawandels oder zur Gewinnung von Resilienz – digitale Technologien bieten Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit. In welche Zukunft diese Lösungen führen, hängt davon ab, auf welche Werte und Ziele sie setzen. Europa kann nur gewinnen, wenn wir einen ressourcenschonenden und vertrauenswürdigen Weg beschreiten, wenn wir Möglichkeiten der Zusammenarbeit garantieren und unsere Einzigartigkeit als Wettbewerbsvorteil nutzen.

Digitale Souveränität bezeichnet die Fähigkeit eines Wirtschaftsraums, digitale Technologien, die kritisch für Wettbewerbsfähigkeit und staatliche Handlungsfähigkeit sind, selbst entwickeln oder ohne einseitige Abhängigkeit von anderen Wirtschaftsräumen beziehen zu können. Nur so können wir auch darüber bestimmen und transparent machen, wie diese Technologien arbeiten, wie sie mit Daten umgehen und letztendlich, wie sie unsere Freiheit erhalten.

Europäische Chip-Produktion steigern

In der Mikroelektronik liegen die Stärken Deutschlands und Europas im Design, Hetero-Integration/Advanced Packaging sowie in mikromechanischen Systemen (MEMS), Optoelektronik und der Leistungselektronik. Fraunhofer und die Forschungsfabrik Mikroelektronik geben hier wichtige Impulse entlang der Wertschöpfungskette, angefangen von Design bis hin zu Prototyping und Produktion von kleinen Stückzahlen. Bei der industriellen Fertigung von hochintegrierten Mikrochips bestehen sehr große Abhängigkeiten von Halbleiter-Fabs in Asien. Diese Lücke soll der von der Europäischen Kommission für 2022 beschlossene »European Chips Act« schließen und Ansiedlungen und Ausbau in Europa unterstützen. Für die Produktion von Halbleitern in der EU sollen rund 43 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden mit dem Ziel, den Anteil der Fertigung in Europa signifikant zu steigern.

Für gemeinsame offene technologische Standards sorgen

Ein weiterer Kernbereich der digitalen Souveränität sind Kommunikationsinfrastrukturen mit offenen Schnittstellen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die OpenRAN Initiative, bei dem die Interoperabilität der Komponenten des Funkzugangsnetzes zukünftiger Mobilfunkstandards sichergestellt werden soll. Offene Standards und Beiträge von Fraunhofer zu international relevanten Standards sind wichtig für die Verwertung von Forschungsergebnissen und die technologische Offenheit der Märkte.

Im Bereich der digitalen Infrastruktur ist eine starke Abhängigkeit von Hardwarekomponenten v.a. aus Asien gegeben. Im Bereich der Software gibt es jedoch starke Innovationskraft in Europa. Fraunhofer spielt hier eine wichtige Rolle z.B. bei der Konzeptionierung und Implementierung der Europäischen Plattform Gaia-X. Sie erlaubt durch Abstraktion und Definition von offenen Schnittstellen eine Entkopplung der Daten und Dienste von den Cloudinfrastrukturanbietern (Hyperscalern) und sichern so die Innovationsfähigkeit und Datensouveränität. Solche Plattformen können auch eine wichtige Basis für eine Sprachassistenzlösung nach europäischen Standards sein, wie wir sie aktuell mit Partnern entwickeln.

Zukunft gestalten

Die Forschungsfelder mit großem Wachstumspotenzial, wie z.B. KI und Quantencomputing, sind von Fraunhofer schon identifiziert worden. Für diese gilt es nun mit Blick auf die Anwendungen, vertrauenswürdige Architekturen, Designverfahren und Herstellungsprozesse für Systeme zu entwickeln und bereitzustellen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrie zu erhalten und auszubauen.

Digitale Souveränität bedeutet letztlich die Freiheit, die Digitalisierung in verschiedenen Branchen (mit-)gestalten zu können. Dies ist für Deutschland und Europa von elementarem Interesse. Wir wollen mit unseren Technologien dazu beitragen, Gesellschaft und Wirtschaft weiterzuentwickeln.

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