Ist das Ganze sehr wetterabhängig?
Das größte Problem ist aktuell noch der Wind. Wenn die Drohne mehrere Minuten um den Baum herumfliegt und die dabei aufgenommenen Bilder daraufhin das 3D-Modell bilden sollen, dann darf der Baum sich in dieser Zeit nicht bewegen. Deshalb müssen wir herausfinden: Ab welcher Stärke ist der Wind ein Problem? Wann können wir fliegen und sicher sein, dass die Daten, die wir dann aufnehmen, auch wirklich nutzbar sind? Und natürlich auch: Was können wir eventuell tun, um im Notfall trotzdem noch vernünftige Daten rekonstruieren zu können? Ein weiteres Problem ist, wenn sehr viel Regen fällt. Dann können wir die Drohne ebenfalls nicht fliegen lassen. Gut ist, dass die Drohne über ein sogenanntes RTK-GPS verfügt. Damit können wir sie auf wenige Zentimeter genau lokalisieren. Das ist allein schon deswegen wichtig, um die Drohne sicher um die Bäume steuern zu können. Ein normales GPS reicht nicht aus, weil da die Abweichung bis einem Meter betragen kann.
Wie entwickelt sich der Projektfortschritt?
Das Projekt startete Ende 2021 und soll noch bis ins dritte Quartal 2024 gehen. Wir sind aktuell also mittendrin. Im ersten Jahr hatten wir eine Verzögerung, weil die Drohne und Zubehör für die Drohne entweder nicht lieferbar waren oder sehr lange Lieferzeiten hatten. Daraufhin haben wir ein wenig improvisiert und versucht, das Ganze mit einer Kamera auf einer Leiter stehend nachzustellen, um überhaupt Daten zu generieren. Wenn man die Daten nicht hat, dann kann man auch bei den anderen Punkten nicht weitermachen. Jetzt haben wir die Ausstattung und sind in dieser Saison so weit, dass wir die Entwicklung der Knospen bis zur Blüte aufzeichnen konnten. Inzwischen sehen wir schon die ersten Früchte und bereiten uns auf die Ernte vor.
Dann geht es darum, die Daten auszuwerten. Wir wollen ja nicht nur diesen Kirschbaum dreidimensional schön darstellen. Es geht vor allem um die Merkmale, die für den Obstbauer interessant sein können: Wie entwickelt sich mein Baum strukturell, welche Ernte kann ich vielleicht erwarten, wann wäre der beste Erntezeitpunkt? Weiterhin möchten wir prüfen, ob wir Krankheits-Befall, Schädlingsbefall oder auch Stress-Zustände wie Trockenstress einfach erkennbar machen können, um das als nutzbare Informationen dem Obstbauern zur Verfügung stellen zu können.
Wer wirkt am Projekt mit und was bringt das Fraunhofer IIS ein?
Das Fraunhofer IIS ist mit den Bereichen Entwicklungszentrum Röntgentechnik und Kommunikationssysteme vertreten. Des Weiteren ist im Konsortium die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg dabei, die sich um die 3D-Rekonstruktion kümmert und Expertise in diesem Bereich einbringt. Die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf verfügt über Obstbau-Expertise. Und der Landkreis Forchheim stellt uns das Obst-Informationszentrum Fränkische Schweiz in Hiltpoltstein zur Verfügung. Hier werden Versuche mit Kirschen, aber auch anderen Obstsorten gefahren.
Die Kolleginnen und Kollegen vom Bereich Kommunikationssysteme stellen ihr mobiles 5G-Campus-Netz zu Verfügung; das nutzen wir, um die Daten von der Drohne zum Boden zu übertragen. Das Entwicklungszentrum Röntgentechnik bringt die Expertise in der Sensorik für die Drohne ein, um einen reibungslosen, automatischen Flug zu ermöglichen. Weiterhin spielt unser Know-how in der Pflanzentypisierung und -Modellierung eine Rolle. Für die Auswertung der Daten sorgt die Bildverarbeitung. Hier hilft uns unser Wissen über konventionelle Algorithmen oder konventionelle Modelle wie beispielsweise ein Blatt-Modell. Zunehmend spielen auch KI-Methoden eine große Rolle, um den Baum in seine Bestandteile zerlegen und segmentieren zu können. So lässt sich herausfinden, wo genau die Kirschen sind, wo Blätter, wo der Stamm und so weiter. Das ist die Aufgabe meiner Abteilung. Andere Kollegen aus dem Bereich versuchen für den Digitalen Zwilling ein geeignetes Datenmodell zu entwickeln, um diese Informationen alle an einem Ort zu sammeln und auch nutzbar wieder auszulesen.
Was ist die Vision für das Projekt? Wie könnte eine Zukunft aussehen, in der der Digitale Zwilling fertig entwickelt und in Anwendung ist?
Wir sind bereits dabei zu testen, das, was wir jetzt für die Süßkirsche exemplarisch entwickeln, auch auf den Apfel zu übertragen. Vorstellbar ist, dass die Drohne automatisch in regelmäßigen Abständen startet, die Plantage abfliegt und Daten sammelt. Diese Daten werden dann mit den Methoden, die wir gerade entwickeln, rekonstruiert und ausgewertet und können dem Obstbauern einen digitalen Überblick über seine Plantage bieten. Er sieht am Tablet, wie der Entwicklungsstand der gesamten Plantage ist, erhält aber auch Informationen über einzelne Bäume, die vielleicht grade Anzeichen zeigen, Krankheiten oder Trockenstress zu entwickeln. Das geht es vor allem darum, nicht einfach blind bei allen Bäumen Schädlingsbekämpfung einzusetzen oder alle gleichmäßig zu wässern, sondern Pestizide und knapper werdende Ressourcen genau da einzusetzen, wo sie gebraucht werden.
Zusätzlich kann man mit der Ernteprognose nachvollziehen, wie viel Ernte zu erwarten ist und wann ein guter Zeitpunkt für die Ernte wäre.
Wenn man noch weiterdenkt – Stichwort Feldroboter– dann könnte man diese beiden Technologien kombinieren. Die Drohne kann schnell über große Flächen fliegen und Daten sammeln, die sie dann dem Feldroboter zur Verfügung stellt, und ihm zeigt, wo er hinfahren muss. Daraufhin nutzt man dessen Sensorik gezielt, die darauf ausgerichtet ist, noch näher an einem Objekt Daten zu sammeln, und dadurch ganz andere Merkmale abbildet. Das wäre eine sinnvolle Kombination für die Zukunft.