Der Faktor Mensch in der Industrie 4.0

30. November 2021 | Stephanie Schmitt-Rüth berichtet im Interview, dass Mitarbeitende für eine erfolgreiche digitale Transformation die Veränderungen mittragen müssen.

Digitalisierung in Unternehmen ist erfolgreicher, gewinnbringender und befriedigender, wenn Mitarbeiter beteiligt werden. Stephanie Schmitt-Rüth erforscht das Themenfeld »Mensch, Technik, Organisation«. Sie untersucht, wie eine effektive und effiziente Zusammenarbeit zwischen Mensch und Technik in digitalisierter Produktionsumgebung zu gewährleisten ist. Im Interview schildert sie, wie die Einführung von Industrie 4.0-Anwendungen mit Menschen gelingt.

Wie sich die Einführung neuer Technologien auf die Mitarbeitenden auswirkt

Welche Beachtung findet der Faktor Mensch in der Industrie 4.0?

Stephanie Schmitt-Rüth: Viele Unternehmen unterschätzen noch heute die Macht des Faktors Mensch, wenn sie in ihrem Unternehmen Arbeitsprozesse digitalisieren – aus Unwissenheit, Ignoranz oder Unbeholfenheit. Aber der Mensch muss mit einbezogen werden, wenn die digitale Transformation ökonomische und produktiv gelingen soll.

 

Was kann passieren, wenn Unternehmen den Menschen in der Digitalisierung zu wenig Beachtung schenken?

Wenn sich Arbeitsprozesse mit der Digitalisierung ändern, dann kann das zu Ängsten führen. Ein typisches Beispiel ist, dass eine Software die Maschine steuert, die ein Mitarbeiter vorher selber noch bedient hat. Dann kann es passieren, dass er aktiv Widerstand leistet und den Betriebsablauf destruktiv stört. Ein anderer ist vielleicht eher passiv, sieht keinen Sinn mehr in seiner Arbeit und verliert seine Motivation.

 

Wie kann die Digitalisierung der Industrie 4.0 so gestaltet werden, dass die Menschen motiviert und innovativ bleiben?

Wir zeigen, dass es gewinnbringend und befriedigend geht und haben dafür eine Toolbox mit drei Werkzeugen erarbeitet. Mit dem von uns entwickelten Industrie 4.0-Selbstcheck kann ein Unternehmen individuell die Stärken und Schwächen ihrer Voraussetzungen zur Digitalisierung professionell analysieren. Mit dem »Human Centric Digital Change Navigator« kann die Bereitschaft und die Fähigkeiten zum Wandel festgestellt werden, ebenso wie bestehende Widerstände. Wir fragen u.a., welche Kompetenzen gibt es vielleicht schon, welche Skills müssen noch geschult werden? Wie ist es um das Mindset bestellt? Und schließlich haben wir »HEART«, Human-centered Evaluation of Acceptance and Risk Criteria for Technology, entwickelt. In diesem Modell stehen ethische und soziologische Risikofaktoren, wie Nachhaltigkeit oder Diskriminierung im Fokus. Denn gerade Akzeptanz ist wichtig, wenn neue Technologien eingeführt werden. Daher beziehen wir die sozialen, ethischen und rechtlichen Aspekte der zukünftigen Nutzergruppen mit ein.

 

Wie können Unternehmen konkret Ihre Instrumente nutzen?

Unternehmen sind herzlich eingeladen, den Industrie 4.0-Selbstcheck online auf unserer Homepage durchzuführen und sich ihren Status quo, ihrer Stärken und Schwächen für Veränderung in Richtung Industrie 4.0 einschätzen zu lassen. Bei den anderen beiden Werkzeugen beraten und unterstützen wir auf Anfrage oder in Workshops. Viele Erkenntnisse der Fraunhofer Forschung sind auch schon in Kooperationsprojekte und Publikationen eingeflossen.

Über Stephanie Schmitt-Rüth

Stephanie Schmitt-Rüth leitet in der Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS die Gruppe Human Centered Innovation. Die Betriebswirtschaftlerin, mit einem zusätzlichen Bachelor-Abschluss in Psychologie, forscht und berät in Projekten zu menschlichen Erleben, Verhalten und Entscheiden in wirtschaftlichen Situationen mit Blick auf digitale Lebens- und Arbeitswelten der Digitalen Transformation. Ihre Schwerpunkte liegen auf der Mensch-Technik-Interaktion, der Akzeptanz- und Widerstandsforschung und Behavioral Change.

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