Chiplet-Innovationen für Europa: Startschuss für APECS-Pilotlinie im Rahmen des EU Chips Acts
Die Pilotlinie für »Advanced Packaging and Heterogeneous Integration for Electronic Components and Systems« (kurz APECS) ist ein wichtiger Baustein des EU Chips Acts, um Chiplet-Innovationen voranzutreiben und die Forschungs- und Fertigungskapazitäten für Halbleiter in Europa zu erhöhen. Die in der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) kooperierenden Institute arbeiten eng mit weiteren europäischen Partnern am Aufbau der APECS-Pilotlinie und leisten damit maßgeblich einen Beitrag, Europas technologische Resilienz zu stärken und somit auch die globale Wettbewerbsfähigkeit in der Halbleiterindustrie zu steigern. Sowohl großen Industrieunternehmen als auch KMU und Start-ups wird die Pilotlinie einen niederschwelligen Zugang zu Cutting Edge-Technologien ermöglichen und für sichere, resiliente Halbleiterwertschöpfungsketten sorgen. APECS wird durch Chips Joint Undertaking und durch nationale Förderungen von Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Österreich, Portugal und Spanien im Rahmen der »Chips for Europe« Initiative kofinanziert. Die Gesamtfinanzierung für die APECS-Pilotlinie beläuft sich auf 730 Millionen Euro über 4,5 Jahre.
Europa verfügt über ein dynamisches Ökosystem aus führenden Unternehmen in traditionellen Branchen, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Start-ups, deren Wettbewerbsvorteil auch auf fortschrittlichen Halbleiterlösungen, die die Basis für Innovationen bilden, beruht. Diese Unternehmen stehen heute jedoch vor der Herausforderung, dass der Zugang zu fortschrittlichen Technologien aufgrund fehlender Ressourcen in Europa begrenzt ist. Die Europäische Kommission investiert im Rahmen des EU Chips Acts erhebliche Mittel in die Stärkung von Halbleitertechnologien und -anwendungen in der EU. Damit sollen die technologische Resilienz Europas erhöht, Liefer- und Wertschöpfungsketten gesichert und Innovationen in Schlüsselbranchen, wie Künstliche Intelligenz, Mobilität, Produktion, Informations- und Kommunikationstechnologien, vertrauenswürdige und ökologisch nachhaltige Elektronik sowie neuromorphes- und Quantencomputing vorangetrieben werden.
Die APECS-Pilotlinie setzt hier beim skalierbaren Industrietransfer neu entwickelter Innovationen im Bereich Heterointegration*, insbesondere beim Einsatz neuer Chiplet**-Technologien an und schlägt so die Brücke zur anwendungsorientierten Forschung. APECS geht über herkömmliche »System-in-Package-Methoden« (SiP) hinaus und zielt darauf ab, robuste und vertrauenswürdige heterogene Systeme zu liefern, die die Innovationsfähigkeit der europäischen Halbleiterindustrie erheblich steigern.
Investitionen in strategische Projekte wie APECS im Rahmen des EU Chips Acts sind von entscheidender Bedeutung, um Europa als unverzichtbaren Partner in der globalen Technologiebranche zu positionieren. Deutschland nimmt in diesem Bestreben eine Schlüsselrolle ein – sowohl als führender Forschungsstandort als auch als treibende Wirtschaftskraft. Dank der erheblichen Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Bundesländer Sachsen, Berlin, Bayern, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist es in den kommenden Jahren möglich, die FuE-Infrastruktur im Rahmen der APECS-Pilotlinie weiter auszubauen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die langfristige wirtschaftliche Stabilität Deutschlands und Europas zu sichern.
»Fraunhofer spielt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von Großprojekten wie APECS, die die Innovationskraft und technologische Resilienz Deutschlands stärken«, betont Prof. Holger Hanselka, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. »Durch unsere praxisnahe Forschung und die enge Zusammenarbeit mit Industrie, Wissenschaft und politischen Partnern schaffen wir die Grundlage, um neueste Technologien nicht nur zu entwickeln, sondern auch in die industrielle Anwendung zu bringen. Die APECS-Pilotlinie steht exemplarisch für den Brückenschlag zwischen Forschung und Wirtschaft und unterstreicht, wie eine enge Kooperation mit Ministerien und anderen Partnern die Stellung von Europa am globalen Mikroelektronikmarkt nachhaltig sichern kann.«
Innovationen genau dort, wo die europäische Industrie sie am dringendsten benötigt
Die APECS-Pilotlinie zielt darauf ab, neue Funktionalitäten durch die sogenannte »System Technology Co-Optimization« (STCO) zu aktivieren und Integrationstechnologien zu vereinheitlichen. Dies wird es Unternehmen ermöglichen, fortschrittliche Produkte auch in kleinen Stückzahlen zu wettbewerbsfähigen Kosten zu entwickeln. Durch die Bereitstellung einer Vielzahl von Technologien in einem One-Stop-Shop wird APECS zukünftig Europas führender Hub für Advanced Packaging und Heterointegration und nimmt damit eine entscheidende Schlüsselrolle für die europäische Mikroelektronik ein.
Als treibende Kraft für die Zusammenarbeit zwischen europäischen Forschungseinrichtungen, Industrie und universitärer Forschung fördert die APECS-Pilotlinie ein lebendiges Innovationsökosystem. Als umfassende Plattform integriert APECS ein end-to-end Design sowie Pilotproduktions-kapazitäten und ermöglicht so die Weiterentwicklung von Innovationen von der Spitzenforschung zu realisierbaren, skalierbaren Fertigungsverfahren.
APECS wird eine entscheidende Rolle beim Übergang Europas zu einer klimaneutralen und kreislauforientierten Wirtschaft übernehmen, indem es Ökodesign und nachhaltige Fertigungsinitiativen vorantreibt.
Innovation durch starke Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen
Die APECS-Pilotlinie baut auf den in der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) geschaffenen Strukturen auf. In Deutschland sind insgesamt zwölf Institute des Fraunhofer-Verbunds Mikroelektronik sowie die zwei Leibniz-Institute FBH und IHP an APECS beteiligt. Geleitet werden die Arbeiten von der Geschäftsstelle in Berlin.
Prof. Albert Heuberger, Sprecher des Fraunhofer-Verbunds Mikroelektronik und Vorsitzender des Lenkungskreises der FMD, betont: »Der Erfolg des EU Chips Acts beruht auf starken Partnerschaften und vielseitigem Know-how. Genau das bringt die FMD mit, indem sie die Stärken von dezentral organisierten Forschungseinrichtungen miteinander verbindet. Auf diesem Fundament baut auch APECS auf und kann daher zu einer langfristig zugänglichen Pilotlinie für alle europäischen Interessengruppen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg werden. Zusammen mit den anderen Pilotlinien im Rahmen des EU Chips Acts ist APECS eine entscheidende Komponente für Heterointegration und Advanced Packaging einer übergeordneten pan-europäischen Mikroelektronik-Pilotlinie.«
In einem starken europäischen Konsortium bündelt APECS die technologischen Kompetenzen, Infrastrukturen und das Know-how von insgesamt zehn Partnern aus acht europäischen Ländern: Deutschland (Fraunhofer-Gesellschaft als Koordinator, FBH, IHP), Österreich (TU Graz), Finnland (VTT), Belgien (imec), Frankreich (CEA-Leti), Griechenland (FORTH), Spanien (IMB-CNM, CSIC) und Portugal (INL). Die APECS Pilotlinie wird von der Fraunhofer-Gesellschaft koordiniert und von der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) implementiert.
Die APECS-Pilotlinie am Fraunhofer IIS
Am Fraunhofer IIS sind die Forschungsbereiche Smart Sensing and Electronics, Entwicklung Adaptiver Systeme sowie das Entwicklungszentrum Röntgentechnik an der APECS-Pilotlinie beteiligt.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IIS arbeiten am Aufbau einer weltweit einzigartigen umfassenden Integrationsplattform für heterogenes 2.5D- und 3D-Packaging. Dafür erweitert das Institut seine Ausrüstung und Kompetenzen u.a. für die Charakterisierung und Testung von Chiplets und heterogenen Systemen sowie für die zerstörungsfreie röntgenbasierte Defekterkennung. Zudem leisten die Expertinnen und Experten einen Beitrag zum Chiplet-Entwurf und zur Integration, um damit den Aufbau von Chiplet-basierten Systemen zu beschleunigen und fortschrittliches Intellectual Property (IP) bereitzustellen. Die Fähigkeit der Pilotlinie wird in fortschrittlichen Funktionsdemonstratoren überprüft. Unter der Leitung des Fraunhofer IIS wird dafür unter anderem ein Demonstrator für das High-Performance-Computing (HPC) aufgebaut.
Über die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD)
Die FMD als Kooperation des Fraunhofer-Verbunds Mikroelektronik mit den Leibniz-Instituten FBH und IHP ist die zentrale Anlaufstelle für alle Fragestellungen rund um die mikro- und nanoelektronische Forschung und Entwicklung in Deutschland und Europa. Als One-Stop-Shop verbindet die FMD seit 2017 wissenschaftlich exzellente Technologien und Systemlösungen ihrer 13 kooperierenden Institute aus Fraunhofer-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft zu einem kundenspezifischen Gesamtangebot. Unter dem virtuellen Dach der FMD entstand somit der europaweit größte Zusammenschluss dieser Art mit inzwischen mehr als 4900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einer einzigartigen Kompetenz- und Infrastrukturvielfalt. www.forschungsfabrik-mikroelektronik.de
Über die Fraunhofer-Gesellschaft
Die Fraunhofer-Gesellschaft mit Sitz in Deutschland ist eine der führenden Organisationen für anwendungsorientierte Forschung. Im Innovationsprozess spielt sie eine zentrale Rolle – mit Forschungsschwerpunkten in zukunftsrelevanten Schlüsseltechnologien und dem Transfer von Forschungsergebnissen in die Industrie zur Stärkung unseres Wirtschaftsstandorts und zum Wohle unserer Gesellschaft.
Die 1949 gegründete Organisation betreibt in Deutschland derzeit 76 Institute und Forschungseinrichtungen. Die gegenwärtig knapp 32 000 Mitarbeitenden, überwiegend mit natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung, erarbeiten das jährliche Finanzvolumen von 3,4 Mrd. €. Davon fallen 3,0 Mrd. € auf den Bereich Vertragsforschung, der sich in drei Finanzierungssäulen gliedert: Einen Anteil davon erwirtschaftet Fraunhofer mit Aufträgen aus der Industrie und aus Lizenzerträgen, die sich auf insgesamt 836 Mio. € belaufen. Der hohe Anteil an Wirtschaftserträgen ist das Fraunhofer-Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Forschungslandschaft. Ein weiterer Teil aus dem Bereich Vertragsforschung stammt aus öffentlich finanzierten Forschungsprojekten. Bund und Länder komplettieren die Vertragsforschung durch die Grundfinanzierung. Damit ermöglichen die Zuwendungsgeber, dass die Institute schon heute Problemlösungen entwickeln können, die in einigen Jahren für Wirtschaft und Gesellschaft relevant werden.
*Über Heterointegration
Die Halbleiterforschung und -entwicklung ist das Herzstück der aktuellen technologischen (R)Evolutionen, die von Künstlicher Intelligenz und Hochleistungsrechnen über moderne Verteidigungssysteme bis hin zu Robotik, Leistungselektronik, drahtloser Kommunikation, E-Health, Quantentechnologien und mehr reichen. Solche zukünftigen elektronischen Systeme werden immer mehr Funktionen erfordern, die nicht von einem einzigen Chip geleistet werden können, selbst wenn fortschrittliche sogenannte System-on-Chip (SoC) Konzepte verwendet werden. Heterointegration wird über die aktuellen System-in-Package-Ansätze (SiP) hinausgehen und ist für elektronische Systeme und Geräte der nächsten Generation, die auf zukünftigen CMOS-Knoten, SiGe, SiC, III/Vs wie GaAs oder GaN und allen verschiedenen Arten von mikroelektromechanischen Systemen (MEMS) basieren, von entscheidender Bedeutung.
**Über Chiplets
Die Idee hinter Chiplets ist, verschiedene Arten von Intellectual Property (IP) zu verwenden, die für bestimmte Funktionen genutzt werden können. Unter IP-Cores wird ein vielfach einsetzbarer, vorgefertigter Funktionsblock eines Chipdesigns in der Halbleiterindustrie verstanden. Meist wird dieser als geistiges Eigentum des Entwicklers weiter an andere IC-Designer lizenziert, um ihn in ein anderes, meist größeres, IC-Design zu integrieren. Die verschiedenen Blöcke sind dabei bereits getestet und können wie ein Puzzle zusammengesetzt werden, sodass man vorhandene IC-Strukturen verwenden und nur Teile neu entwerfen muss. Ein Chiplet ist also kein voll funktionsfähiger Einzelchip, sondern ein Teil eines Chips, den man mit anderen Funktionselementen kombinieren kann. Die Konzepte und ersten Implementierungen von Chiplets versprechen nicht nur höhere Integrationsdichten, sondern berühren auch Umwelteigenschaften der Elektronik in Bezug auf Ressourceneffizienz, kritische Rohstoffe, Modularität und Wiederverwendbarkeit von Designblöcken.