Synchrotron-CT zur hochauflösenden Untersuchung großer Objekte

Im Bereich der hochauflösenden Röntgenbildgebung, wie sie beispielsweise zur Untersuchung neuartiger Materialien oder in der industriellen in situ-Betrachtung dieser Materialien unter Last eingesetzt wird, ist oft eine aufwändige Probenpräparation notwendig. Insbesondere erfordert dies oft das physische “Zerschneiden” des zu untersuchenden Objekts, was jedoch die Betrachtung des Gesamtobjektes verhindert. Ferner bringen die physikalischen Eigenschaften der verwendeten Röntgenstrahlung in Laborgeräten oft erhebliche Artefakte mit sich, die die Bildaufnahme signifikant stören und somit die Weiterverarbeitung der Daten und die damit verbundenen Evaluierungen erheblich erschweren. Die Synchrotron-CT bietet aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften die Möglichkeit, die genannten Probleme weitestgehend zu reduzieren.

Funktionsprinzip

© Synchrotron Soleil
Schematischer Aufbau eines Synchrotrons.

Ein Synchrotron ist eine spezielle Infrastruktur, die eine Reihe von Teilchenbeschleunigern inkludiert. Auch konventionelle Röntgenröhren nutzen die Beschleunigung von Ionen aus. Im Gegensatz zu konventionellen Röntgenquellen werden bei der Synchrotron-Röntgenbildgebung die Elektronen allerdings auf nahezu Lichtgeschwindigkeit in drei Stufen beschleunigt: Zunächst werden sie durch einen Linearbeschleuniger auf knapp 99% der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Diese subatomaren Partikel werden dann in ein Booster-Synchrotron eingeschossen, in welchem die Energie weiter auf 6 GeV erhöht wird. Anschließend werden alle 100 ms Pakete dieser beschleunigten Elektronen in den großen Speicherring eingeschossen und in einem Ultra-Hochvakuum auf Geschwindigkeit gehalten.

Innerhalb des großen Speicherrings ist eine Vielzahl von dauermagnetischen Systemen – genannt Insertion Devices (Wiggler, Undulatoren) und Ablenkmagneten – installiert, welche den beschleunigten Elektronenstrahl so kohärent, d.h. fokussiert, wie möglich halten und die Brillanz somit erhöhen. Die Brillanz misst die Anzahl der Photonen pro Zeiteinheit und relativ zur Fläche des Strahlprofils. Synchrotrons liefern durch ihre spezielle Architektur dabei extrem hohe Brillianz,  in etwa 12 Größenordnungen über medizinischen Röntgenquellen liegen, wodurch scharfe Bilder auf hohen Auflösungen möglich werden.

Während die Insertion Devices den Strahl entlang der geraden Anteile des Ringbeschleunigers manipulieren, leiten die Ablenkmagneten den Strahl um die gekrümmten Sektionen. Bei der Durchlaufung des Elektronenstrahls durch die Ablenkmagneten verlieren die Elektronen im Strahl Geschwindigkeit und geben diese Energie in Form von Röntgenstrahlung ab. Diese wird an spezifizierten Stellen tangential aus dem Speicherring herausgeleitet und in eine Strahllinie (en. beamline) geführt. Der dort ankommende Röntgenstrahl besitzt die im Ring gehaltenen Strahleigenschaften der extrem hohen Brillanz und der starken Kohärenz.
Zusätzlich erlaubt die hohe Frequenz, mit der Röntgenstrahlung aus dem Speicherring extrahiert werden kann, eine in situ und ggf. in operando-Betrachtung des Objektes, was daher zeitaufgelöste Experimente ermöglicht.

Multiresolution Phasenkontrast-CT an BM18

An der Strahllinie BM18 im speziellen wird Phasenkontrast-CT durchgeführt. Dies ist eine spezielle Form der Röntgenbildgebung, in der man die Interaktion der Welle der Röntgenstrahlung mit der Probe direkt aufnimmt. Dies führt zu einer Überhöhung der Kanten, die somit typischerweise deutlich schärfer aufgenommen werden als bei regulärer Absorptionskontrast-CT.

Anschließend werden Artefaktkorrekturen, eine numerische Wiederherstellung der Absorptionsinformation und eine tomographische Rekonstruktion aus den Einzelprojektionen durchgeführt. Speziell bei industriellen Anwendungen akkumuliert sich so auch eine erhebliche Datenmenge, welche konventionell kaum zu bearbeiten ist, weshalb künftig auch eine am Fraunhofer EZRT entwickelte dreidimensionale Kompression angewendet werden soll.

© A. M. Zysk et al., “Nondestructive volumetric imaging of tissue microstructure with benchtop x-ray phase-contrast tomography and critical point drying,” Biomed. Opt. Express, vol. 3, no. 8, p. 1924, Aug. 2012, doi: 10.1364/BOE.3.001924.
Schema der Freiraumpropagations-Phasenkontrast-CT

Anwendungsfelder

© Fraunhofer EZRT
Das Röntgenbild einer Batterie offenbart die feine innere Struktur mit bisher nie dagewesener Auflösung.

Auf Basis des Elektronenstrahls aus dem Speicherring kann eine Vielzahl von Experimenten an den jeweiligen Strahllinien durchgeführt werden. Je nach Konzipierung filtern und modifizieren die einzelnen Strahllinien den Strahl noch weiter, um dessen Spektrum auf die jeweilige Anwendung zuschneiden zu können. Dadurch werden mit einem Strahl gleich mehrere bildgebende Verfahren möglich, darunter Absorptionskontrast-Tomographie, Phasenkontrast-Tomographie, Diffraktionsbildgebung, Spektroskopie, etc.

Durch die Vielzahl an möglichen bildgebenden Verfahren ergeben sich entsprechend viele Anwendungsfelder:

  • Aus industrieller Sicht liegt der Mehrwert von Synchrotron vor allem in der Bildgebung komplexer Bauteile aus schwer durchstrahlbaren Materialien, der Detektion von Defekten und anderen Mängeln innerhalb von Brennstoffzellen oder der Analyse neuartiger Materialien.
  • Kunst und Kulturgüter und deren Untersuchung mit Bezug auf Fälschungserkennung, der Freilegung übermalter Bilder und der Analyse antiker Farbstoffe.
  • Auch im Bereich Archäologie und Paläontologie nimmt die Technologie stark an Bedeutung zu, da feinste Details und Bilder von Fossilien schärfer erstellt werden können als mit klassischen Methoden.
  • In ähnlicher Weise werden oft auch biologische Objekte aus der Agrarwirtschaft untersucht, z.B. um Krankheitsbefall von Pflanzen hochgenau zu untersuchen.

Projektbeispiel »Batteriescan«

Ein aktuelles Beispiel von Synchrotron-CT findet sich in der Untersuchung neuartiger Batteriematerialien, wobei insbesondere die Verteilung und Struktur der winzigen Partikel im Anodenmaterial von Interesse ist. Die Abbildung zeigt dabei eine hierarchische Tomographie einer flachen Li-Ionen Batterie-Pouchzelle: Beginnend von einem Scan des Gesamtobjektes mit einer Voxelgröße von 42 µm werden inkrementell Regionen von besonderem Interessensgrad bestimmt. Nach neuen Einstellungen betreffend den verwendeten Detektor, die Objektpositionierung, u.a., wird ein weiterer CT-Scan durchgeführt. So werden Region-of-Interest-Scans mit Voxelgrößen von 24.63 µm, 9.9 µm, und 2.24 µm erstellt. Diese zeigen in kleinen ausgewählten Regionen derselben Größe wie die steigende Auflösung zunehmend hilft, die unterschiedlichen Strukturen der Batterie, d.h. die Separatorplatten und die Kathoden- und Anoden-Partikel, zu erkennen.

© Fraunhofer EZRT
Hierarchische Phasenkontrast-Tomographie einer Li-Ionen Batterie-Pouchzelle