Herr Haddad, was war der initiale Gedanke bei der Entwicklung dieser Technologie? Für den Laien unterscheiden sich die Röntgen- und MRT-Bilder ja kaum.
Kinder und Jugendliche sind die Hauptkunden für kieferorthopädische Untersuchungen. Bei diesen Personengruppen ist das Risiko für Schäden durch ionisierende Strahlung höher als bei Erwachsenen, wie die Brody-Studie von 2007 zeigte. MRT-Verfahren können mit gutem Kontrastverhältnis und der völligen Abwesenheit ionisierender Strahlung punkten. In einer australischen Studie aus dem Jahr 2013 wird berichtet, dass das Risiko, generell an Krebs zu erkranken, für Personen in der untersuchten Gruppe um 24 Prozent höher war, wenn bei ihnen in den Jahren vor dieser Erkrankung eine Computertomographie-Untersuchung durchgeführt worden war, als bei Personen ohne eine solche Untersuchung. Wenn wir also künftig durch alternative Untersuchungsmöglichkeiten die Strahlenbelastung dieser Untersuchungen in der Kieferorthopädie komplett vermeiden könnten, wäre das großartig.
Was muss noch passieren, damit das Verfahren flächendeckend in der Kieferorthopädie oder sogar allgemein in der Zahnmedizin eingesetzt werden kann?
Da gibt es verschiedene Punkte:
Zum einen ist es wichtig, die Akzeptanz für den Einsatz der MRT als Ersatz für die bisherigen Verfahren mit ionisierender Strahlung deutlich zu steigern. Dazu muss vor allem für die vielen verschiedenen Anwendungsbeispiele jeweils einzeln geprüft werden, in welchen Fällen eine MR-Bildgebung zur Diagnostik bzw. Therapiebegleitung den bisherigen Methoden gleichwertig, unter- oder sogar überlegen ist. Im Detail muss also jeweils einzeln gezeigt werden, dass die von der MRT gelieferten Informationen für den Kieferorthopäden beziehungsweise Zahnmediziner mindestens die gleiche Aussagekraft besitzen wie die Informationen, die er heute mit anderen Methoden bekommt. Dazu gehört gegebenenfalls auch, die Mediziner passend zu schulen, da MR-Bilder bei gleichem Informationsgehalt durchaus anders aussehen können als zum Beispiel Röntgen- oder CT-Bilder.
Zum anderen muss durchaus noch Entwicklungsarbeit geleistet werden. Es geht insbesondere um Fälle, in denen die MRT im Prinzip gleichwertige oder sogar mehr Informationen liefern kann als die bisherigen Methoden. Wir benötigen auf die jeweilige Fragestellung optimierte und trotzdem einfach zu bedienende, anwenderfreundliche MR-Experimente, die nach kurzer Einarbeitung genutzt werden können. Dazu kann auch gehören, bei der Prozessierung der Daten darauf zu achten, dass Bildkontrast und Aussehen der Bilder denen der bisher verwendeten Methoden ähnlicher sind, als es rein von der MRT zur Darstellung der Bildinformation notwendig wäre.
Darüber hinaus müssten dedizierte MR-Geräte für die flächendeckende Nutzung bei Kieferorthopäden erst noch entwickelt und zugelassen werden. Bislang werden quasi ausschließlich handelsübliche klinische MR-Geräte verwendet, die mit entsprechenden Detektoren – zum Beispiel Kopf- und Kieferspulen – ausgestattet sind. Das kann auch zukünftig so geschehen und ist sicherlich im Umfeld einer Klinik oder Uni-Klinik, bei der Kieferorthopäde und Radiologe auf dem gleichen Gelände oder sogar im gleichen Haus praktizieren, einfach zu realisieren. Bei niedergelassenen Kieferorthopäden wäre in den meisten Fällen wohl eine Überweisung an einen Radiologen notwendig.