Viel Fortschritt, viel Energie
Als das Thema einige Jahre später wieder auf ihrem Tisch landet, hat sich vieles verändert. Nicht nur bei Roth-Mandutz selbst, die mittlerweile am Fraunhofer IIS als Teil einer Doppelspitze der Gruppe »Mobile Communications« fungiert, sondern vor allem auch im politisch-gesellschaftlichen Umfeld. Warnende Prognosen, das Klimaabkommen von Paris, der European Green Deal. Neue Ziele, neue Erwartungen, neue Hoffnungen. Weltweit arbeiten Menschen an technologischen Lösungen, um den CO₂-Ausstoß bis zum Jahr 2050 zu neutralisieren. Das Handlungsfenster ist wieder geöffnet, der Handlungsdruck jedoch umso größer.
Der Mobilfunksektor wächst weltweit rasant. Während der 5G-Standard derzeit etabliert wird, schimmert mit 6G bereits der nächste Hoffnungsträger am Technologie-Horizont. Klar ist, dass die neuen Generationen ein Mehr an Fortschritt bedeuten: mehr Vernetzung, mehr Services, mehr Anwendungen. Doch jedes intelligente Fahrzeug, jede Virtual-Reality-Brille, jeder digitale Zwilling bedeutet eben auch: mehr Energie, die verbraucht wird, mehr Treibhausgase, die ausgestoßen werden. »Wenn wir keine Gegenmaßnahmen ergreifen, wird der globale Stromkonsum in den 2030er-Jahren endgültig durch die Decke gehen«, sagt Roth-Mandutz.
Jede Lösungsfindung beginnt mit einer Ursachensuche. Blickt man also genauer hin, an welcher Stelle der hohe Energieverbrauch des Mobilfunks seinen Ursprung hat, ist der Verantwortliche schnell enttarnt. Über 70 Prozent des Stromverbrauchs in den Netzen verursachen die Basisstationen. Denn die Mobilfunkmasten befinden sich in einem fortlaufenden Zustand der Hyperaktivität. Meist hellwach, sogar dann, wenn sich gerade keine Endgeräte in der Nähe befinden, die auf die Kapazitäten angewiesen wären. Energie wird freigesetzt, aber keinem Zweck zugeführt. Sie wird verschwendet. »Das ist völlig sinnfrei«, sagt Roth-Mandutz. »Zumal wir bei vielen Basisstationen enorme Nutzungsschwankungen feststellen können«.
Insbesondere in der Nacht, wenn sich die meisten Smartphones in einen stundenlangen Stand-by-Modus begeben, beruhigt sich der Datenverkehr deutlich. Hinzu kommt eine lokale Dimension. Ein Mobilfunkmast, der in der Nähe eines Fußballstadions steht, läuft auf Hochbetrieb, wenn am Wochenende der Ball rollt und Tausende von Zuschauern auf den Tribünen mitfiebern. Unter der Woche hingegen herrscht an einem solchen Ort beinahe Funkstille. Wäre es also nicht sinnvoller, ein Mobilfunknetz zu haben, das seine Ressourcen schont, um sie dann zu entfalten, wenn es der Bedarf erfordert? »Network Energy Savings« lautet das Stichwort, unter dem das Team um Roth-Mandutz seit zwei Jahren am Fraunhofer IIS intensiv forscht. Die Idee dahinter: Einzelne Hardware-Komponenten – Mini-Zellen, Carriers oder Beams – werden abgeschaltet, solange sie nicht benötigt werden. Sie werden Schlafen geschickt.