Der Betreuungsschlüssel bei Quantencomputern ist hoch: Jedes Qubit, also jede Basiseinheit, wird engmaschig von Forschenden und Doktoranden gehegt und umsorgt, quasi »handgestreichelt«. Beim Bau eines Quantencomputers ist nämlich für jedes Qubit eine eigene Antriebs- und Ausleseschaltung notwendig. Was bei vier oder fünf Qubits möglich ist, dürfte jedoch schon bald den Rahmen des Machbaren sprengen: Schließlich sollen die Quantenrechner künftig mehrere hundert Qubits, wenn nicht sogar Millionen von ihnen, umfassen. Unmöglich also, weiterhin eine eins-zu-eins-Betreuung aufrechtzuerhalten: Automatisierung ist gefragt.
Der Weg zur Selbständigkeit ist jedoch weit – das gilt auch für Quantencomputer. Sowohl das Land Bayern (Forschungsprojekt »SHARE«) als auch die Bundesregierung (Forschungsprojekt »MUNIQC-ATOMS«) fördern die weiteren Laufversuche der neuartigen Superrechner in verschiedenen Großprojekten. Etwa solcher, an deren Ende ein lauffähiger 400-Qubit-Quantencomputer steht und die somit die mittelfristige Perspektive im Blick haben. Die Basis des Rechners bilden in diesem Fall neutrale Atome: Gefangen in einem Hochvakuum werden sie von außen mit einem Laser angeregt. Die Energie, die der Laser auf das Atom überträgt, veranlasst ein Elektron, auf eine höhere, energetischere Schale zu hüpfen. Anders gesagt: Das Qubit springt vom Wert null auf den Wert eins.
Mehr und bessere Qubits sollen verfügbar sein
Auch das Fraunhofer IIS trägt sein »Quäntchen« dazu bei, einen solchen Quantencomputer realisierbar werden zu lassen. Dabei haben die Forschenden dort gleich zwei Hürden im Blick: »Mit unserer Expertise treiben wir nicht nur die angestrebte Skalierung auf 400 Qubits voran, sondern verbessern auch die Güte der Qubits«, sagt Robert Koch, Gruppenleiter am Fraunhofer IIS. Werfen wir also zunächst ein Blick auf die Skalierung. Derzeit benötigt jedes Qubit einen eigenen Signalgenerator, der den anregenden Laser ansteuert. Ein Ansatz, der aus Kosten- ebenso wie aus Platzgründen bei einer großen Zahl von Qubits nicht länger tragbar ist – schließlich wären dann für 400 Qubits auch 400 Signalgeneratoren nötig. »Aus diesem Grund entwickeln wir einen Multikanal-Signalgenerator, der statt einem gleich 16 Qubits ansteuern kann«, begeistert sich Koch. Dazu nutzen die Forschenden einen programmierbaren Logikbaustein, der am Markt bereits erhältlich ist, und entwickeln die entsprechende Programmierung. Ein einfach klingender Schritt, der jedoch viel Erfahrungswissen erfordert. Auch eine Geräteplattform, in der sich mehrere solcher Logikbausteine integrieren lassen, steht auf der Agenda.
Auch die Qualität der Ansteuertechnik ist wichtig
Doch reicht die Quantität der Qubits allein für einen guten Quantenrechner nicht aus, auch die Qualität der Rechenoperationen muss stimmen. Diese macht sich an der Güte der Qubits fest, also an der Genauigkeit, mit der sie die quantenmechanischen Zustände einnehmen. Ist die Güte nicht hoch genug, zerfällt der quantenmechanische Zustand. Die Stellschraube, um die Güte hochzutreiben, liegt in der Qualität der Ansteuerelektronik. Auch dieser Herausforderung stellt sich das Forscherteam des Fraunhofer IIS. »Wir optimieren zum einen die Schaltungselektronik, die die programmierbaren Logikbausteine mit den optischen Modulatoren verbindet«, erläutert Koch. »Das heißt: Wir entwickeln qualitativ hochwertige Schaltungen – dabei kommt uns unser Knowhow im Bereich der Hochfrequenz zugute, da sich die Herausforderungen ähneln.«
Die Lasersignale zur Ansteuerung werden verbessert
Eine weitere Stellschraube für eine hohe Güte der Qubits liegt in der Kalibrierungs- und Regelungstechnik. Also in der Frage: Wie lässt sich die Qualität der erzeugten Lasersignale über Algorithmen erfassen und verbessern? Denn: Verschiedene Effekte lassen das tatsächliche Lasersignal immer wieder vom idealen abweichen, dazu gehören etwa eine Erwärmung von Bauteilen aufgrund des Laserstrahls oder eine Ablenkung des Lasersignals. »Doch erreicht das Qubit nur dann eine hohe Güte, wenn es mit einem wohldefinierten, perfekten Laserpuls manipuliert wird«, weiß Koch. Hier bringt das Fraunhofer-Team seinen nachrichtentechnischen Hintergrund ein: Es analysiert die Laserpulse und kompensiert unerwünschte Effekte entweder rückwirkend oder durch eine Vorverzerrung. Bei dieser Vorverzerrung wird – ausgehend von der Analyse vorhergehender Signale – ein Abgleich errechnet, um dem Ziel beim nächsten Impuls möglichst nahe zu kommen. Dafür sorgt auch die Kalibrierung, die die Forschenden entwickeln. Am Ende des Projekts sollen alle Entwicklungen der Partner kombiniert werden und gemeinsam einen lauffähigen Quantenrechner ergeben – mit 400 Qubits und realistischem Betreuungsschlüssel.