Wohin führt die Reise? Diese Frage lässt sich insbesondere bei neuen Technologien anfangs noch nicht genau beantworten. So auch bei Quantencomputern: Um sie zu realisieren, braucht es kleinste quantenmechanische Einheiten, die Qubits. Diese lassen sich auf verschiedene Arten und Weisen realisieren – welcher Ansatz sich langfristig durchsetzen wird, ist ungewiss. Am weitesten entwickelt sind die Superconducting Qubits: Dabei werden einzelne Atome auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, auf minus 269 Grad Celsius heruntergekühlt – Umgebungsbedingungen, bei denen supraleitende Eigenschaften auftreten. Ein alternativer Ansatz liegt in neutralen Atomen, die im Ultrahochvakuum aneinandergereiht und mittels eines Laserstrahls angeregt werden. Im besten Vakuum also, das sich mit technischen Mitteln auf der Erde realisieren lässt. Doch auf welchen Ansätzen die Quantencomputer auch beruhen, sie haben eines gemeinsam: Sie alle stecken noch in den Kinderschuhen und umfassen daher derzeit nur wenige Qubits. Da die kleinsten Recheneinheiten jedoch sehr empfindlich auf Einflüsse durch die Umgebung reagieren, etwa auf andere elektrische Geräte, sind für einen leistungsfähigen Quantencomputer tausende Qubits nötig. Denn je größer die Menge an Qubits, desto besser lassen sich Ungenauigkeiten einzelner Qubits ausgleichen. Aus diesem Grund arbeiten Forschende weltweit daran, die Zahl der Qubits in die Höhe zu treiben, man spricht dabei von einer Aufskalierung der Quantencomputer. Auf der derzeitigen Agenda stehen Quantencomputer mit mehr als hundert Qubits.
Ansteuern von Qubits ohne Kabelsalat
Eine der zahlreichen Herausforderungen dabei: Bisher braucht man für jedes anzusteuernde Qubit vier Leitungen. Bei mehr als hundert Qubits wird das schnell unübersichtlich. Bei den supraleitenden Qubits kommt eine weitere Schwierigkeit dazu: Je mehr Leitungen vom Labor in den kryogekühlten Bereich hineinführen, desto größer wird der Wärmeeintrag. Die benötigte Temperatur von 20 Millikelvin – also 20 Milligrad Celsius über dem absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius, der nur theoretisch erreicht und nicht unterschritten werden kann – ist da schnell nicht mehr zu halten. Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IIS arbeiten im Projekt K6 SHARE (Scalable Hardware and Systems Engineering) der Initiative Munich Quantum Valley daher an einer Alternative. »Wir ersetzen die herkömmlichen Kabel durch Flachbandleitungen«, sagt Hans Adel, Gruppenleiter Antennen und Schaltungen am Fraunhofer IIS. »Der Vorteil daran: In einem Flachbandkabel können sich pro Inch Breite 100 Leitungen befinden. Wir können also hunderte von Qubits mit nur einem Kabel ansteuern.« Während die Forschenden am Fraunhofer IIS das Design übernehmen, kümmert sich das Fraunhofer-Institut für Elektronische Mikrosysteme und Festkörper-Technologien EMFT um die Fragen der Fertigung. »Die Herausforderungen liegen nicht nur im Kabeldesign, sondern auch im Design des Steckers: Dieser muss die verschiedenen Kontakte adäquat übertragen, es dürfen weder Verkopplungen zwischen den verschiedenen Leitungen noch Dämpfungen auftreten«, erläutert Adel.
Auf dem Weg zur möglichst idealen Kabel-Stecker-Kombination entwickelt das Forscherteam am Fraunhofer IIS zunächst einmal ein erstes Design und simuliert und optimiert dieses mittels Feldsimulatoren. Eine der Schwierigkeiten dabei: Für die Simulation der Stecker und Kabel müssen dem Simulationsprogramm verschiedene Materialparameter vorgegeben werden – wie diese bei Kryotemperaturen aussehen, ist jedoch nicht bekannt. Die Forschenden haben daher Teststrukturen entwickelt, mit denen sie die benötigten Parameter nahe des absoluten Nullpunkts bestimmen. Mit diesen Parametern können sie eine erste Simulation starten. Die Ergebnisse dienen den Kolleginnen und Kollegen am Fraunhofer EMFT zum Bau eines Prototyps, der ausgiebig getestet wird. Die Testdaten fließen wiederum zurück ans Fraunhofer IIS, wo Kabel und Stecker re-designt werden. Sind die Anforderungen an die Entkopplung trotz nicht zu vermeidender Fertigungsungenauigkeiten gewährleistet? »Der erste Proof-of-Concept steht: Wir konnten bereits zeigen, dass die supraleitenden Verbindungen generell funktionieren«, freut sich Adel. In etwa zwei Jahren sollen die ersten Kabel zur Verfügung stehen.
Neutrale Atome als Qubits – gut geschützt im Faraday-Käfig
Setzt man auf neutrale Atome statt auf supraleitende Materialien als Qubits, stellen sich andere Herausforderungen. So befinden sich die neutralen Atome im Ultrahochvakuum. In diesem Vakuum schwirren weniger Moleküle umher als in der erdnahen Umlaufbahn – die neutralen Atome erfahren also kaum Störungen durch Zusammenstöße mit anderen kleinsten Teilchen. Elektromagnetische Wellen hingegen wie Licht oder Radiowellen können in das Ultrahochvakuum eindringen und die neutralen Atome aus ihrem definierten Zustand schubsen. »Im Projekt K6 SHARE der Initiative Munich Quantum Valley entwickeln wir Schirmstrukturen, die die neutralen Atome gegen elektromagnetische Störungen schützen sollen. Im Prinzip handelt es sich dabei um einen Faraday-Käfig, der im Vakuum um die Atome herum angebracht wird und sie nach außen hin elektrisch abschirmt«, sagt Adel. Nicht abgeschirmt werden sollen dagegen die Laserstrahlen, mit denen die Atome in die quantenmechanischen Zustände versetzt und ausgelesen werden. Die Forschenden entwickeln daher eine Art Blechkasten, der aus einem wabenförmigen Netz besteht: Durch die Öffnungen der Waben kann der Laserstrahl passieren, während die externen elektrischen Felder draußen bleiben. Dabei widmet sich das Team verschiedenen Fragestellungen: Senken die Gitterstrukturen die optische Qualität des Laserstrahls? Sind sie thermisch stabil? Zu Beantwortung solcher Fragen nutzen die Forschenden ebenfalls den Feldsimulator. Neben der Qualität des Laserstrahls müssen sie zudem darauf achten, dass die Abschirmung keinerlei Versteckmöglichkeit für Luft bietet, die im Ultrahochvakuum langsam herausdiffundieren könnte. »Das erzeugte Ultrahochvakuum ist nahezu besser als das im Weltraum – es dauert mehrere Wochen, es zu erzeugen. Etwas Luft in einem Schraubenloch würde es bereits zerstören«, weiß Adel. Spezielle Abstandsstrukturen aus Goldfolien sollen daher für eine gute Durchlüftung sorgen. Erste vielversprechende Simulationsergebnisse gibt es bereits.
Beitrag von Janine van Ackeren, selbstständige Wissenschaftsjournalistin