Warum passieren Fehler in der Batterieproduktion? Erklärbare KI unterstützt die Prozessoptimierung.

31.05.2024 | Interview mit Thomas Stocker vom Entwicklungszentrum Röntgentechnik des Fraunhofer IIS

Künstliche Intelligenz beeinflusst immer mehr, wie wir arbeiten, leben und denken. Dabei bleibt oft undurchsichtig, wie die KI überhaupt zu ihren Ergebnissen kommt. Warum schlägt ChatGPT für einen Kuchen fünf Eier vor, obwohl in jedem ähnlichen Rezept von vier Eiern die Rede ist? Warum halluziniert Künstliche Intelligenz Ereignisse, die nie stattgefunden haben? Welche Logiken führen zu den Entscheidungen von KI? Gut, dass die sogenannte erklärbare KI zumindest in der Prozessoptimierung von Produktionsketten immer mehr zum Einsatz kommt – in Zukunft auch bei der Batterieherstellung. Zu verdanken haben wir dies unter anderem dem Gruppenleiter Produktmanagement Thomas Stocker vom Entwicklungszentrum Röntgentechnik, der mit der Technologie Fehler entdeckt, bevor sie überhaupt auftreten. So soll eine konstante Qualität von Batterien garantiert werden – für weniger Ausschuss und mehr Sicherheit. Wie erklärbare KI funktioniert und angewendet werden kann und was uns in der Zukunft der Prozessoptimierung erwartet, erfahren Sie im Interview.

Herr Stocker, erklärbare KI ist relevant für zahlreiche Themenbereiche. In der Batterie-Serie blicken wir besonders auf das Thema nachhaltige Elektromobilität. Wie trägt sie zu diesem Thema bei?


Ganz große Themen bei der Batterieproduktion für Automobile sind Ausschussreduktion und Qualitätssicherung. Wir haben aktuell leider noch hohe Ausschussraten bei der Batterieproduktion. Es handelt sich bei bestimmten Produktionszyklen um bis zu 20 Prozent – jede fünfte Batterie muss also entsorgt werden. Wenn man diesen Ausschuss signifikant reduziert, braucht es weniger Rohstoffe und weniger Strom bei der Produktion, es wird weniger Müll erzeugt. Das ist effizienter, als während des Produktionsprozesses schon mit Recycling beginnen zu müssen. Zudem kann durch erklärbare KI dem Fachkräftemangel begegnet werden, da sie viele Aufgaben autonom übernehmen kann. Es gibt für manche Systeme nur einen einzigen Experten, der jeden Tag an einem anderen Ort im Einsatz sein muss, was Abläufe verzögert und komplexer macht – das wissen wir von unseren Kunden. Schließlich fallen den Systemen Unregelmäßigkeiten und Zusammenhänge auf, die einem Menschen vielleicht entgehen würden.

 

Für so viele Benefits ist sicherlich eine komplexe Technologie nötig. Wie funktioniert erklärbare KI?


Um das zu veranschaulichen, erkläre ich es gerne anhand von Neuronalen Netzen, die wir häufig bei unserer Arbeit benutzten. Diese Netze werden mit vielen Daten gefüttert, um sie zu trainieren. Was aber in dem Netz passiert und warum das Netz dann zu einem bestimmten Ergebnis kommt, nach so einem Training, das ist die Frage, die die erklärbare KI beantworten soll

Stellen Sie sich ein Beispiel vor: Wir trainieren das Netz mit Bildern von Katzen und Hunden. Nach dem Training kann es nun zwischen den beiden Tieren unterscheiden. Warum sich aber das Netz jetzt genau für den Hund oder für die Katze entscheidet, das ist in der Regel intransparent.

Erklärbare KI versucht nun zurückzuerklären, von hinten nach vorne, warum sich das Netz auf diese Weise entschieden hat. Die KI wird also transparent in ihrer Entscheidungslogik. Welche Teile des Bildes haben den Ausschlag für die Entscheidung gegeben? Wie wurden sie verarbeitet?

Für ein Projekt in Gießereien haben wir beispielsweise ein Netz darauf trainiert, Fehlergrößen in Gießereiprodukten zu finden. Nun wollten wir nicht nur Fehler detektieren, sondern auch feststellen, warum diese überhaupt entstanden sind. Also haben wir geprüft: Gibt es Prozessparameter bei der Produktion von Gussteilen, die möglicherweise einen Einfluss haben auf die Fehlergröße?

Als Ergebnis konnte das Netz vorhersagen, dass mit bestimmten Produktionsparametern eine gewisse Fehlergröße korreliert. Mit dem Ansatz der erklärbaren KI kann man also herausfinden, welcher dieser Prozessparameter verantwortlich war. So können wir den Kunden mitteilen, welche Prozessparameter er ändern muss, um bestimmte Fehler zu vermeiden.

 

Kunden befürchten oft, dass die Implementierung derartiger Technologien eine langwierige, anspruchsvolle Umstellung nach sich zieht. Wie verhält sich das bei der Erklärbaren KI zur Prozessoptimierung?


Die Grundvoraussetzung ist zunächst, dass ich eine bildgebende Methode in meinen Produktionsprozess integriert habe – also zum Beispiel Computertomographie oder andere Röntgentechnologien. Ansonsten muss noch eine Teilverfolgbarkeit vorhanden sein, also die Zuordnung, welche Maschine das Teil produziert hat, das ich prüfen möchte. Ist das gegeben, können wir Erklärbare KI schnell und einfach in den bestehenden Produktionsprozess integrieren.

Für die KI selbst gibt es vor allem zwei Möglichkeiten. Entweder ich mache vorab ein Training der KI, und das System lernt dann nicht mehr weiter. Das liefert konstante Ergebnisse und ist leichter zu überprüfen. Oder ich lasse das System immer weiter lernen, wodurch es von den laufenden Produktionsdaten profitiert, sich immer weiter verbessert. Dafür muss es aber auch stärker beaufsichtigt werden. Für die Batterieprüfung eignen sich grundsätzlich beide Arten. Ein Vorteil: Die Technologie ist nicht übermäßig hardwarehungrig, verrechnet man die Kosten mit dem eingesparten Ausschuss, sind sie überschaubar.

 

Wie sieht die Zukunft der Technologie aus?


Wir möchten unsere KI zukünftig so gestalten, dass sie für jeden einfach bedienbar ist. Unsere langfristige Vision ist dabei, dass sich die KI gänzlich autonom regulieren kann und Fehler automatisch ausmerzt. Was wir schon jetzt erreicht haben, ist eine extrem breite Anwendbarkeit. Ob in der Batterieproduktion, in der Fertigung von Gussteilen, oder in anderen Produktionsprozessen – unsere Technologie findet die Fehlerquellen und hilft so, bessere und nachhaltigere Produkte zu schaffen.

 

Herr Stocker, wir danken ihnen für das Gespräch.

Beitrag von Lucas Westermann, Redakteur Fraunhofer IIS Magazin

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