2. Mai 2023 | Expertinnen und Experten erklären im Interview, wie Kaffeeduft messbar ist.
Apfel, Lemongrass, schwarzer Pfeffer oder auch Popcorn. Das sind nur ein paar der Aromen, mit denen ein Kaffee beschrieben werden kann. Die Arbeitsgruppe Digital Sensory Perception am Fraunhofer IIS beschäftigt sich mit der Frage, auf welche Weise Produkte wie Kaffee technisch anhand von Gasen und Gerüchen zu unterscheiden sind. Im Interview mit Expertinnen und Experten vom Fraunhofer IIS und von der Rösterei Kaffeesurium in Fürth erfahren Sie mehr über die Welt der Kaffeearomen und was deren Entschlüsselung mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu tun hat.
Jeder Kaffee hat sein eigenes Geschmacksprofil, das sich aus dem Geschmack wie Süße, Säure oder Bitterkeit und aus den nasal wahrgenommenen Gerüchen wie zum Beispiel Beeren-, Nuss- oder sogar Gemüsearomen ergibt. Das Spektrum ist enorm facettenreich. Die Kaffeesorte nimmt einen entscheidenden Einfluss auf das Aromaprofil, aber auch Faktoren wie die Art der Aufbereitung, der Transport und der Röstprozess wirken sich auf das Geschmackserlebnis aus. Luzia und Berni Taschler aus der Kaffeerösterei Kaffeesurium in Fürth erklären:
- Berni Taschler von Café & Rösterei Kaffeesurium
Klar ist angesichts des breiten Aromaspektrums, der vielfältigen Einflussmöglichkeiten und des feinen Zusammenspiels der Wahrnehmungsorgane, wie komplex die Welt der Kaffeearomen ist. Hinzukommt eine fast banale Schwierigkeit – nämlich die internationale Kommunikation über die Aromen: »Nehmen wir zum Beispiel an, wir wollen einen fruchtigen Kaffee und wünschen uns eine johannisbeerige Note. Das Anbauland, mit dem wir kommunizieren, hat aber vielleicht ein anderes Verständnis davon, wie eine Johannisbeere schmeckt, oder im schlimmsten Fall gibt es diese Frucht dort noch nicht einmal. Umgekehrt kennen wir die Obstsorten, die sie für die Beschreibung nutzen, vielleicht nicht. Eine technische Analyse könnte mehr Klarheit und Standardisierung in den internationalen Handel bringen.« Eine so präzise Analyse von Kaffeearomen gibt es derzeit noch nicht, aber der Arbeitsgruppe Digital Sensory Perception am Fraunhofer IIS ist es immerhin schon gelungen, einen Kaffeeklassifikator zu entwickeln, der Kaffees bestimmter Sorten und Hersteller aufgrund des Gasprofils unterscheiden kann.
Der Kaffeeklassifikator nutzt die KI-basierte Gasanalyse. Dazu braucht es einen Gassensor. In diesem Fall kommt zu Testzwecken ein Metalloxid-Sensor (MOX) zum Einsatz, der eine Option neben verschiedenen Sensorarten ist. Teresa Scholz, Senior Scientist in der Arbeitsgruppe Digital Sensory Perception erläutert: »Als erstes müssen wir Daten der Gase von verschiedenen Kaffeesorten aufnehmen und dann sagen wir dem Algorithmus ‚Das ist genau diese Marke, diese Sorte‘ und so weiter.« Damit diese Zuordnung in Zukunft auch automatisch mit möglichst geringer Fehlerwahrscheinlichkeit gelingt, reichen nicht nur ein paar Fälle, sondern es sind große Mengen von Daten erforderlich. Dieser Aspekt macht auch klar, warum es sich schwierig gestalten würde, eine genaue Gasanalyse für jede einzelne Aromafacette zu entwickeln. Während schon für die vier ausgewählten Hersteller und Sorten große Datenmengen notwendig sind, kann man sich leicht vorstellen, welche Unmengen an Daten notwendig wären, um eine zuverlässige Analyse sämtlicher Aromen anzubieten.
– Gruppenleiter Sebastian Hettenkofer
Ein realistisches Anwendungsfeld der KI-basierten Gasanalyse liegt in der Qualitätskontrolle, zum Beispiel um festzustellen, ob eine Lieferung tatsächlich die Kaffeesorte enthält, die bestellt wurde. Darüber hinaus gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten außerhalb des Kaffee-Universums. Im Projekt PINOT kommt die Gasanalyse zum Einsatz, um Winzer und Kellermeister bei der Qualitätssicherung von Geruch, Geschmack und Textur von Weinen zu unterstützen. Auch zur Anwendung in speziellen Rauchmeldern wäre diese Technologie denkbar. Das zeigt: Die Einsatzmöglichkeiten der KI-basierten Gasanalyse sind so vielfältig wie die Welt der Kaffeearomen selbst.
Sebastian Hettenkofer, Gruppenleiter der Gruppe Digital Sensory Perception
»Am liebsten trinke ich eine Mischung aus Arabica und Robusta aus einer Rösterei hier in Erlangen und Nürnberg – sehr schokoladig und wenig Säure. Das ist für mich sehr wichtig. Aber ich trinke keine Mengen: einen großen Cappuccino und damit bin ich den ganzen Tag glücklich.«
Teresa Scholz, Senior Scientist in der Gruppe Digital Sensory Perception
»Ich bin erst seit einem Jahr wieder in Deutschland und habe vorher in Portugal gelebt. Dort gibt es an jeder Straßenecke ein kleines Café, wo man für 60 Cent einen leckeren Espresso kriegt. Das fehlt mir hier sehr. Aktuell importiere ich deshalb portugiesischen Kaffee, um das ein bisschen nachzuahmen, aber mit meiner kleinen Bialetti auf dem Elektroherd schmeckt das noch nicht so, wie ich mir das vorstelle.«
Luzia und Berni Taschler, Inhaberin und Inhaber von Café & Rösterei Kaffeesurium in Fürth
»Insgesamt sind unsere Kaffeegewohnheiten sehr verschieden. Berni trinkt eigentlich überall Kaffee, während ich ein bisschen wählerischer bin und Kaffee meide, wenn mir der Geruch nicht gefällt. Auch bei den Fragen »Espresso – Ja oder Nein?« und »Kaffee mit Milch oder ohne?« sind unsere Präferenzen verschieden. Der gemeinsame Nenner ist bei uns beiden der klassische Filterkaffee. Mit zwei Kindern zuhause braucht es morgens dann auch einfach eine schöne Tasse für den Start in den Tag!«