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Prof. Dr. Kay-Uwe Giering
Leiter Applikationszentrum Quantenkommunikation
Fraunhofer IIS, Institutsteil Entwicklung Adaptiver Systeme EAS
Münchner Straße 16
01187 Dresden
Telefon +49 351 45691-202
Viele der heute beispielsweise beim Online-Banking eingesetzten kryptographischen Verschlüsselungsverfahren werden durch die voranschreitende Entwicklung von Quantencomputern prinzipiell angreifbar. Deshalb müssen neue Methoden für die sichere Übertragung von Daten und Informationen erforscht werden. Verschlüsselungsverfahren, mit denen die herkömmlichen ersetzt oder sinnvoll ergänzt werden können, existieren bereits. Die Basis hierfür ist ein geheimer Schlüssel, der ausschließlich Sender und Empfänger vorliegt. Hier setzt die Quantenkommunikation mit Systemen an, die mithilfe von Lichtquanten einen Schlüsselaustausch ermöglichen. Quantenschlüssel können aufgrund physikalischer Gesetze nicht unbemerkt abgehört werden. Die zu übertragenden Daten, die auf Basis der Quantentechnologie verschlüsselt werden, können dann über eine herkömmliche Verbindung transportiert werden.
Das Applikationszentrum »Design skalierbarer Elektroniksysteme für die Quantenkommunikation« des Institutsteils EAS arbeitet daran, dieses technologische Prinzip für die praktische Anwendung zu erschließen. Ziel ist es, das Innovations- und Anwendungspotenzial der Technologie für die in Sachsen besonders stark vertretenen Hochtechnologien, etwa im Bereich der Mikro- und Nanoelektronik, zu unterstützen. Seit Sommer 2022 stellt deshalb das Zentrum für Unternehmen und Forschung flexible Experimentier- und Testumgebungen zur Elektronikentwicklung für Quantenkommunikationssysteme bereit. Dabei stehen beispielsweise modulare mikroelektronische Schaltungen auf Basis sogenannter Chiplets im Fokus. Dieser Ansatz ermöglicht es zum einen, Elektronik auch in geringen Stückzahlen kostengünstig zu produzieren. Zum anderen lassen sich so für die benötigten heterogenen Systeme besonders leistungsfähige Funktionseinheiten in der jeweils am besten geeigneten Technologie realisieren.
»Quantenkommunikation, also der Austausch von Daten mittels Qubits, wird unsere Welt nachhaltig verändern. Die Aussicht auf eine abhörsichere Übertragung von Daten lässt nur erahnen, welche Möglichkeiten diese Technologie eröffnet. Es braucht allerdings noch viele technische Innovationen, die die breite Nutzung dieser Technologie für Wirtschaft, Verwaltung und letztlich für jedermann ermöglichen. Das neue Applikationszentrum setzt hier an und wird in einem Partnernetzwerk genau diese Anwendungen entwickeln bzw. testen und damit zentrale Entwicklungsschritte der Quantentechnologie mit prägen«, sagt Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow.
Ein wichtiger Meilenstein des Applikationszentrums konnte 2022 mit der erfolgreichen Einrichtung eines prototypischen Quantenkommunikationssystems erreicht werden. »In einem ersten Schritt haben wir intensiv die quantengesicherte Kommunikation über Glasfaser in unserem Institutsgebäude an der Münchner Straße getestet«, berichtet Dr. Kay-Uwe Giering, Leiter des Applikationszentrums am Fraunhofer IIS/EAS. »Damit können wir nun anderen Forschungseinrichtungen und Unternehmen einen Demonstrator als praktische Testumgebung für eigene Entwicklungen von Elektronikkomponenten und -systemen zur Verfügung stellen.« Diese Experimentierumgebung basiert auf sogenannten verschränkten Photonenpaaren, die die Aufteilung eines zufälligen Schlüssels ermöglichen. Die Aufbauten verwenden Einzelphotonen und codieren das Schlüsselbit derzeit in der Photonenpolarisation oder in der Photonenphase. Darüber hinaus ist es mit der Testumgebung auch möglich, Design, Validierung und Optimierung leistungsfähiger elektronischer Schaltungen für die Quantenkommunikation in modernen Halbleitertechnologien durchzuführen. »Dabei bietet der modulare Ansatz, den wir verfolgen, enorme Vorteile für unsere Partner«, so Giering weiter. »Er erlaubt nicht nur miniaturisierte und kosteneffiziente Elektronikbausteine, sondern verleiht ihnen auch höchste Leistungs- und Anpassungsfähigkeit.«
Zukünftig ist für die hochsichere Signalübertragung eine schrittweise Vergrößerung der Entfernungen geplant: vom lokalen und regionalen Umfeld in Sachsen bis 2024 nach Thüringen und perspektivisch auch nach Bayern. Denn das Zentrum entsteht als eine Schwerpunkt-Forschungsinfrastruktur für die Etablierung der Quantenkommunikation unter dem Dach einer Initiative der drei Freistaaten. Die Länderaktivitäten wiederum flankieren die deutschlandweite Forschungsinitiative QuNET zur Entwicklung neuer Schlüsseltechnologien für die Quantenkommunikation, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.
Der Aufbau des Applikationszentrums wird vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mit rund 8 Mio. € gefördert. Die Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts.