Contact Press / Media
Rainer Wansch
Abteilungsleiter HF und SatKom Systeme
Fraunhofer IIS
Am Wolfsmantel 33
91058 Erlangen
Als im Juli 2021 die Sturzfluten über das Ahrtal hereinbrechen, steht die Kommunikation plötzlich still. Basisstationen werden beschädigt, Kabel durchtrennt, Antennen weggespült. Funknetze brechen zusammen, Funklöcher weiten sich aus. Und nicht nur Mobilfunkfirmen fragen sich in diesen Tagen der Verwüstung: Wie lässt sich die Kommunikationsinfrastruktur unserer Gesellschaft künftig besser schützen?
Fast genau zwei Jahre nach der Flutkatastrophe nimmt die Heinrich-Hertz-Mission des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ihren Lauf. Nach einer jahrelangen Kraftanstrengung ist es Deutschland gelungen, wieder einen eigenen Kommunikationssatelliten ins Weltall zu befördern. Er soll die Satellitenkommunikation in die Zukunft führen. Und damit die Mission gelingen kann, haben wir eines der Herzstücke des Heinrich-Hertz-Satelliten entwickelt: den Fraunhofer On-Board-Prozessor. Spitzname: FOBP.
Herkömmliche Kommunikationssatelliten kann man sich wie Boten vorstellen, die Botschaften überbringen, ohne den Inhalt zu kennen. Signale werden von einer Bodenstation empfangen und an die nächste weitergeleitet. Doch mit dem FOBP haben wir eine leistungsfähige und regenerative Nutzlast entworfen, die im Satelliten sitzt und die Signalverarbeitung digital übernimmt. Der Bote ist jetzt nicht mehr nur Überbringer der Botschaften, sondern wirft selbst einen Blick darauf. Er korrigiert Fehler, die ihm auffallen. Er überlegt sich, welche Informationen Priorität haben. Und er beauftragt andere Boten, die sich näher am Zielort befinden. Kurzum: Der Satellit wird durch den FOBP intelligenter.
Dabei steht noch ein anderes Feature im Fokus: die Rekonfigurierbarkeit des On-Board-Prozessors. Wie ein Smartphone, das Updates installiert, um neuen Anforderungen gerecht zu werden, können wir den FOBP in 36.000 Kilometern Höhe mit unserer Multiband-Satellitenantenne vom Boden aus ansteuern, durch das Hochladen von Konfigurationsdateien umprogrammieren und somit jederzeit an neue Kommunikationsstandards anpassen.
Die Fähigkeit des FOBPs, sich auf die unterschiedlichsten Anwendungsfälle einzustellen, öffnet der Industrie einen Ausweg aus einem Dilemma, das immer dann entsteht, sobald eine Innovation in der Satellitenkommunikation das Licht erblickt: Die neue Technologie darf erst dann in Richtung Weltall abheben, wenn sie beweisen konnte, dass weder Strahlung noch extreme Temperaturschwankungen ihre Funktionsfähigkeit beeinträchtigen werden. Um dies beweisen zu können, benötigt die neue Technologie jedoch erst den Zugang zum Weltall.
Der FOBP hilft dabei, dieses Paradoxon aufzulösen. Er wandelt sich zu einem Labor im All, das Unternehmen und Forschungsinstitute in Zusammenarbeit mit uns nutzen können, um in Kommunikationsexperimenten unter Originalbedingungen zu demonstrieren, dass ihre Technologien beides zugleich sind: innovativ und bewährt. Dabei können diese sich zunächst in unserer hauseigenen Thermal-Vakuum-Kammer auf einem FOBP-Zwilling für den Einsatz im Weltall vorbereiten. Dann wird die Technologie mittels virtuellem TM/TC-Link in den echten FOBP implementiert, während dieser seine Kreise um den Globus zieht.
Derartige Over-the-Air-Tests können die komplette Übertragungskette der Satellitenkommunikation einschließen. Ein Anwendungsszenario betrifft etwa Bauteile, die direkt in einem Satelliten eingesetzt werden. Unternehmen, die selbst On-Board-Prozessoren entwickeln, können Teilkomponenten auf ihre Weltalltauglichkeit prüfen. Auch Technologien, die den reibungslosen Ablauf der Kommunikation vom Boden aus organisieren, lassen sich mit dem FOBP optimieren. Dazu gehören Modems, deren Funktionalitäten auf unterschiedliche Wellenformen angepasst werden, ebenso wie Antennen, deren Leistungsprofile derart verbessert werden, dass sie selbst bei Sturm und Regen ihre Aufgaben erfüllen. Obendrein erforscht die Branche derzeit unterschiedliche Ansätze wie Beam-Hopping, die darauf abzielen, die Kapazitäten deutlich zu erhöhen. Hier helfen die Generalproben im Weltall, um herauszufinden, welche Potenziale und Grenzen die einzelnen Konzepte aufweisen.
Doch wir wollen die Zukunft der Satellitenkommunikation auch mit eigenen Experimenten ergründen. Wie zum Beispiel, was der FOBP dazu beitragen kann, dass die Kommunikationsinfrastruktur unserer Gesellschaft künftig besser geschützt wird. Hierzu planen wir ein Projekt, das den Notfall üben soll. Kommt es etwa wieder zu einer Flutkatastrophe wie im Ahrtal, die den Mobilfunk lahmlegt, sind vor allem Rettungskräfte darauf angewiesen, dass der Datenverkehr auch ohne Basisstation aufrechterhalten wird. Der FOBP kann hier mit seiner Flexibilität für stabile und sichere Direktverbindungen zum Satelliten sorgen. Er wird somit zu einem verlängerten Arm ins Universum, der seine schützenden Hände über die Kommunikation auf der Erde legt.
Seit dem Juli 2023 läuft die Mission des Heinrich-Hertz-Satelliten und wir sind mittendrin. Denn eines der Herzstücke bildet der Fraunhofer On-Board-Prozessor (FOBP), der jederzeit von der Erde aus umprogrammiert werden kann und sich in ein Labor verwandelt, das die Satelliten- und Kommunikationsindustrie nutzen kann, um ihre eigenen Technologien im Weltall zu testen.