Auf der Erfolgsspur: Satelliten im Mobilfunknetz

14. Juni 2024 | Release 19 des 5G-Standards

Satelliten sind die Shootingstars im 5G-Universum. Der Grund: Durch ihre enorme geografische Abdeckung bergen sie das Potenzial, 5G und zukünftig 6G in alle Winkel der Erde zu bringen und damit die weltweite Konnektivität zu ermöglichen. Wir am Fraunhofer IIS arbeiten an einer verbesserten Satellitenabdeckung, an Mobilfunkbasisstationen auf Satelliten und an Handover-Verfahren, damit unsere Smartphones in Zukunft nahtlos über Satelliten kommunizieren können.

Durch die Integration von Satelliten in Mobilfunknetze, entsteht ein hybrides Netz, in dem die Mobilfunkinfrastruktur am Boden fließend mit Satelliten zusammenarbeitet, um Endgeräten eine nahtlose und überall verfügbare Verbindung über 5G beziehungsweise 6G bereitzustellen. Diese vollintegrierte Kombination aus Satellitenverbindung und Mobilfunk schafft ein Überall-Netz ohne Grenzen und damit völlig neue Kommunikationsmöglichkeiten. Auch eine Satellitenverbindung per Smartphone rückt damit in greifbare Nähe, wobei nicht merkbar sein soll, ob wir gerade über Satellit oder über eine Basisstation am Boden verbunden sind.

Satelliten als Booster für globale Anwendungen

 

Die Logistik und das Transportwesen profitieren besonders davon, dass die lückenlose Standort- und Zustandsüberwachung von Gütern und Transporten auch beim Überqueren von Ozeanen auf Schiffen und in Flugzeugen möglich wird. Darüber hinaus hält dieses Plus an Mobilität für die Automobilbranche neue Entwicklungsmöglichkeiten bereit. Denn Fahrzeuge wandeln sich zunehmend zu intelligenten Kommunikationsplattformen, die ihren Nutzern immer mehr Services bieten und dabei auf nahtlose Konnektivität angewiesen sind. Diese wird beispielsweise benötigt, um auch in entlegensten Regionen Software-Updates sowie verkehrs- und sicherheitsrelevante Informationen ans Fahrzeug zu übermitteln oder um Pannen- und Unfallnotrufe abzusetzen. Die Hilfe in solchen Situationen und in Katastrophenfällen wird künftig ebenfalls leichter zu organisieren sein, weil die Kommunikation beim Ausfall, bei einer Überlastung oder beim Nichtvorhandensein terrestrischer Basisstationen nahtlos über Satelliten umgeleitet werden kann. Und das ohne zusätzlich nötiges Kommunikationsequipment für die Einsatzkräfte – einfach über Mobilfunk.

Vorangetrieben wird das Zusammenwachsen terrestrischer und satellitenbasierter Netze durch die 5G-Standardisierung in 3GPP (3rd Generation Partnership Project). Unter dem Stichwort »Non-Terrestrial Networks (NTN)« begannen hier 2017 die ersten Studien zur Integration von Satelliten in Mobilfunknetze. Inzwischen sind erste Basisfunktionen spezifiziert, die eine 5G-Verbindung über Satellit möglich machen. Mit Release 19 des 5G-Standards, an der seit Anfang 2024 gearbeitet wird, sollen Non-Terrestrial Networks nun in den nächsten Gang schalten. Drei Dinge sind dafür essenziell: eine verbesserte Abdeckung durch Satelliten, Mobilfunkbasisstationen auf Satelliten, die ihren Dienst vom Weltall aus verrichten, und reibungslos funktionierende Handover-Verfahren, durch die Endgeräte unterbrechungsfrei von einer Basisstation zur nächsten wechseln können. 

Überall perfekter Empfang dank verbesserter Satellitenabdeckung

 

Um die globale Vernetzung voranzubringen, sollen Satelliten die heute noch vorhandenen Lücken in der 5G-Versorgung schließen. Das Gebiet, das ein Satellit mit Daten versorgen kann, ist dabei keinesfalls so fix, wie man denken könnte. Es gibt etliche Stellschrauben, um die Abdeckung an den Versorgungsbedarf auf der Erde anzupassen oder die Kommunikation über eine Satellitenverbindung zuverlässiger zu gestalten. Hierfür sollen in Release 19 neue Lösungen entwickelt werden. Dabei kommen verschiedene Ansätze in Betracht, um den Datentransport vom Satellit zum Boden perfekt zu gestalten. Wie sich Verbesserungen des Übertragungsverfahrens auf den möglichen Abdeckungsbereich eines Satelliten und die Zuverlässigkeit der Verbindung auswirken, simulieren wir mithilfe unseres am Fraunhofer IIS entwickelten System-Level-Simulators für NTNs. Dabei handelt es sich um eine vollständig in Software umgesetzte Testumgebung, mit der sich die komplexen Prozesse in nicht-terrestrischen Netzen nachbilden und untersuchen lassen. So forschen wir etwa daran, die Kommunikation durch Redundanzen in der Übertragung verlässlicher zu machen. Dafür kann es nötig sein, die Datenübertragung mehrmals gemäß eines dynamisch angepassten Schemas zu wiederholen (Repetition Schemes). Aber auch die genutzte Wellenform hat einen Einfluss darauf, wie gut der Empfang am Boden ist. Hier befassen wir uns mit der Entwicklung von Verfahren, die die Energieeffizienz der Wellenform verbessern. Damit lässt sich der Datendurchsatz erhöhen oder der Sendebereich eines Satelliten ausweiten.

© Fraunhofer IIS
Verbesserungen des Übertragungsverfahrens sorgen für eine lückenlose und zuverlässige Abdeckung durch Satelliten

Auf dem Weg nach oben: Basisstationen auf Satelliten

 

Bisher sind die Verbindungen zu Satelliten im 5G-Standard als rein transparente Kanäle konzipiert: Der Satellit empfängt Daten von einer an ein Satelliten-Gateway angeschlossenen 5G-Basisstation und leitet sie ohne weitere Verarbeitung in Richtung Endgerät weiter und umgekehrt. Neue Satelliten hingegen sind intelligenter. Sie haben einen On-Board-Prozessor im Gepäck, der Signale direkt auf dem Satellit verarbeiten kann. Man spricht von einer regenerativen Satellitennutzlast. Sie flexibilisiert die Einsatzmöglichkeiten von Satelliten auf verschiedenste Weise. Im Kontext 5G bedeutet das vor allem eines: Satelliten mit regenerativer Nutzlast sind in der Lage, die Funktion einer Basisstation zu übernehmen. Somit muss der Datenverkehr nicht mehr über ein Gateway oder eine Basisstation am Boden geleitet werden, wenn zwei Nutzer über denselben Satelliten kommunizieren. Stattdessen senden die Endgeräte ihre Daten direkt an den Satelliten, der sie wiederum direkt an ein anderes Endgerät weitersenden kann. Das verkürzt zum einen die Signallaufzeit und vermindert damit Verzögerungen in der Kommunikation, was bei einer Satellitenverbindung wegen der großen Entfernung zwischen Satellit und Endgerät besonders wichtig ist. Zum anderen ist eine Verbindung über 5G auf diese Weise von jedem Punkt der Erde aus möglich. Und das völlig unabhängig von der terrestrischen Infrastruktur, denn Satelliten mit regenerativer Nutzlast können auch untereinander kommunizieren und leiten Daten über Inter-Satellite Links (ISL) entsprechend weiter, wenn die Kommunikationspartner über unterschiedliche Satelliten verbunden sind.

© Fraunhofer IIS
Satelliten mit On-Board-Prozessor dienen als 5G-Basisstation und leiten Daten untereinander weiter

In Release 19 will 3GPP deshalb die nötigen Anpassungen definieren, um die volle Funktionalität einer Mobilfunkbasisstation auf Satelliten übertragen zu können. Ein Vorhaben, an dessen technischen Grundlagen wir am Fraunhofer IIS seit Jahren forschen. Dafür setzten wir auf frühe Proof-of-Concept-Tests auf Basis der von uns mitentwickelten Prototypen-Plattform »OpenAirInterface (OAI)«. Diese enthält eine softwarebasierte Implementierung einer 5G-Basisstation, die wir so erweitern, dass sie für den Einsatz auf einer regenerativen Satellitennutzlast geeignet ist. Damit können wir geplante Ansätze aus der laufenden Standardisierung frühzeitig umsetzen und im Labor oder auch in Live-Tests über Satelliten erproben. Die Ergebnisse dieser Tests wiederum helfen uns dabei, optimierte Lösungskonzepte für 5G-Basisstationen auf Satelliten zu entwickeln, die wir in die Standardisierung einfließen lassen. Unser Wissen um die speziellen Erfordernisse regenerativer Nutzlasten stützt sich dabei auf die Erfahrung aus der Entwicklung des Fraunhofer On-Board-Prozessors (FOBP) für den deutschen Kommunikationssatelliten »Heinrich Hertz«.

Nahtlose Verbindung durch neue Handover-Verfahren

 

Im klassischen Mobilfunk ist ein Handover immer dann nötig, wenn mobile Endgeräte sich aus dem Empfangsradius einer Basisstation wegbewegen und in den Sendebereich einer anderen Basisstation übergehen. Mit dem Einzug von Satelliten in Mobilfunknetze kommen allerdings weitere Übergabepunkte hinzu. Denn in NTNs müssen auch frequenzübergreifende Wechsel von einer terrestrischen Basisstation zu einer nicht-terrestrischen Basisstation nahtlos gelingen – genauso wie Wechsel von Satellit zu Satellit. Letzteres ist vor allem in Satellitenkonstellationen im Low Earth Orbit (LEO) von Bedeutung. LEO-Satelliten umkreisen die Erde abhängig von der genauen Höhe, in der sie sich bewegen, mit einer Geschwindigkeit von etwa 25.000 km/h. Dadurch ist jeder LEO-Satellit von der Erde aus nur wenige Minuten erreichbar, bevor er wieder am Horizont verschwindet. Endgeräte müssen sich also kontinuierlich mit neu am Himmel erscheinenden Satelliten verbinden. Insgesamt kommt damit deutlich mehr Bewegung in den Mobilfunk, denn die Endgeräte sind nicht mehr die einzigen mobilen Komponenten im Netz.

© Fraunhofer IIS
Handover-Verfahren regeln sowohl den Übergang vom terrestrischen Netz zum Satellit als auch Wechsel von Satellit zu Satellit

Um dieses doppelte Maß an Mobilität zu koordinieren, braucht es clevere Handover-Verfahren, die für eine reibungslose Kommunikation sorgen. Mit dem am Fraunhofer IIS entwickelten NTN-System-Level-Simulator, können wir die für NTN weiterentwickelten Handover-Verfahren ausgiebig testen und weiter optimieren. Die wichtigste Neuerung besteht darin, dass klare Bedingungen für einen Handover vorab von der Basisstation an ein Endgerät kommuniziert werden. Ist eine Bedingung erfüllt, schaltet das Endgerät selbstständig zur nächsten Basisstation oder zum nächsten Satelliten um (Conditional Handover). Solche Bedingungen können orts- oder zeitabhängig definiert sein. Heißt zum Beispiel: Das Endgerät erhält genaue Informationen darüber, an welchem Ort oder zu welcher Zeit, ein Wechsel zum nächsten LEO-Satellit notwendig ist. Ist eine der beiden Bedingungen erfüllt, vollzieht es den Handover selbstständig. Bei klassischen Handover-Prozeduren misst und kommuniziert das Endgerät stattdessen kontinuierlich, welche Signalstärke es von welcher Basisstation empfängt, bis es das Kommando erhält, sich mit einer neuen Basisstation zu verbinden. Diese Abstimmung ist sehr energieintensiv und würde in einer Satellitenverbindung aufgrund der großen Entfernung und der vielen Bewegung auch nicht zuverlässig funktionieren.

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