Woran arbeitest du gerade und wie bist du dazu gekommen?
Derzeit leite ich eine Forschungsgruppe im Bereich Mensch-Maschine-Interaktionen (HMI) mit speziellem Fokus auf Sprachassistenzsysteme, also unsere Allinga Aktivitäten. Unsere Arbeit konzentriert sich auf menschenzentrierte Forschung und Entwicklung mit drei Hauptsäulen: Nutzerforschung, Design und Data Governance. Aktuell arbeite ich an der Evaluation großer Sprachmodelle und der transparenten Gestaltung von Natural Language Processing (NLP) Systemen. Zu den Themen bin ich gekommen, da ich Bedarf dafür sehe. Industrievertreter berichten, dass die Evaluation schwierig ist, und sie sich bei der Entwicklung nicht auf Leaderboards verlassen wollen. Leaderboards stellen dar, wie gut Sprachmodelle sind. Es gibt dabei aber Probleme, wie etwa die Testing Data Leaks. Hier können Daten, die für Tests genutzt werden, als Trainingsdaten in große Sprachmodelle einfließen. Das ist so, als würden Schüler die Testfragen für eine Schulaufgabe klauen und sich die Antworten einprägen. Da gibt es eine Eins im Test, aber die Schüler sind nicht schlauer. Wir erforschen, wie man Evaluation zuverlässig und aussagekräftig gestalten kann.
Das Thema transparente Gestaltung von NLP liegt mir auch am Herzen. Europäische Gesetzgebung schreibt vor, dass Nutzende ein Recht auf Information zu Datenverarbeitung haben, die präzise, verständlich und zugänglich ist. Das ist aktuell in Anwendungen wie ChatGPT oder Alexa nicht der Fall. Wir arbeiten an Systemen, um den Stand der Technik zu verbessern und damit den Nutzerinnen und Nutzern eine faire Chance zu geben, informierte Entscheidungen zu treffen.
Was war deine Motivation dich für TALENTA zu bewerben?
Meine Führungskräfte haben mich ermutigt und darin unterstützt, mich für TALENTA zu bewerben. Zusätzlich fand ich es gut, dass es ein Programm speziell für Frauenförderung bei Fraunhofer gibt. Ich engagiere mich für Frauen in MINT-Fächern und MINT-Berufen, wie etwa beim Girls' Day, durch Femtec oder Mentoring. Zu wenige Frauen trauen sich in diesem Feld durchzustarten. Ich möchte Vorbild sein und Mut machen. Dazu gehört auch selbst Förderangebote anzunehmen. Hilfe suchen und annehmen ist ein Soft Skill, genauso wie Hilfe anbieten. Ich lerne kontinuierlich von meinen Kolleginnen und Kollegen und bin dankbar dafür.
Welches Karriereziel hast du mit deiner Teilnahme an TALENTA am Fraunhofer IIS verfolgt und was sind deine Pläne für die Zukunft?
Als ich an TALENTA teilgenommen habe, startete ich mit dem Ziel, Gruppenleiterin zu werden. Das hat während meiner TALENTA-Laufzeit nicht geklappt, aber etwa eineinhalb Jahre später war es so weit, und ich konnte eine Gruppenleitung übernehmen. Ohne die Unterstützung meiner Führungskräfte wäre das nicht möglich gewesen.
Für die Zukunft plane ich meine Gruppe weiterzuentwickeln und gemeinsam zu zeigen, dass menschenzentrierte Forschung und Entwicklung Mehrwerte schafft.
TALENTA – was ist der größte Mehrwert für dich und deine Forschungsarbeit?
Der größte Mehrwert von TALENTA liegt für mich und meine Forschungsarbeit in der umfassenden Unterstützung, die es bietet. Durch das Programm habe ich Zugang zu einem breiten Netzwerk von Expertinnen und Experten sowie Gleichgesinnten. Außerdem hatte ich finanzielle Mittel für gezieltes Coaching, was mir ermöglicht hat, noch effektiver mit Herausforderungen umzugehen und neue Strategien für Problemlösung zu lernen.
Was treibt dich zum Forschen an und welche Hürden und Förderungen hast du persönlich in deiner wissenschaftlichen Karriere erlebt?
In meiner täglichen Arbeit motiviert mich der Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen, sowie mit Studierenden. Dieser Austausch überrascht mich regelmäßig mit neuen Ideen und Perspektiven. Außerdem finde ich unsere Themen spannend und sinnhaft. Das spiegelt sich auch in meiner Gruppe: Ich sehe viel intrinsische Motivation.
Während meines Studiums glaubte ich nicht, dass Frauen in der Wissenschaft benachteiligt werden. Zehn Jahre und ein Kind später sehe ich das anders. Benachteiligung kann eine Hürde sein. Allerdings halfen mir Programme wie TALENTA und Mentoring-Programme meine wissenschaftliche Karriere erfolgreich zu verfolgen. Zudem empfinde ich die Kultur an meinem Arbeitsplatz als sehr familienfreundlich.
Gab es ein besonderes Ereignis, das deine Leidenschaft für Wissenschaft auslöste?
Was mich antreibt, ist eine Leidenschaft für Menschen. Wissenschaft kommt danach. Ich habe den Eindruck, dass ich Wissenschaft nicht lassen kann, nachdem ich Jahre lang trainiert habe, wissenschaftlich zu denken. Wissenschaft hat sich in mein Denken eingeschweißt. Das heißt, Wissenschaft lässt mich nicht los, und eine Leidenschaft für Menschen treibt mich an.
Welche Möglichkeiten, an aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu arbeiten, gibt es in deinem Forschungsbereich?
In unserer Arbeit konzentrieren wir uns auf KI-Sprachtechnologien. Es gibt seit Jahren einen Boom dieser Technologien, die unser tägliches Leben verändern. Man denke nur an Alexa und ChatGPT. Mit menschenzentrierter Evaluation und transparenter Datenverarbeitung beschäftigen wir uns mit zwei sehr aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen dieser Technologien.
Das Interview führte Saskia McDonagh, Redaktion Fraunhofer IIS Magazin