Warum Chipdesign die Mikroelektronik nachhaltiger machen kann

12. August 2024 | Interview mit Prof. Dr. Heinrich Milosiu, Chief Scientist am Fraunhofer IIS

»Der Impact der Mikroelektronik in all seinen Facetten ist wirklich enorm«, erläutert Prof. Dr. Heinrich Milosiu. Er ist Chief Scientist für System- und Schaltungsoptimierung und Chipdesigner am Fraunhofer IIS sowie Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Milosiu ist davon überzeugt, dass Chipdesign, ein Bereich der Mikroelektronik, nicht nur zur Weiterentwicklung von zukunftsrelevanten Technologien beiträgt, sondern auch einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leistet.

Im Hinblick auf die 17 Sustainable Development Goals (SDGs), eine gemeinsame Agenda der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, kann die Mikroelektronik am Fraunhofer IIS auf folgende Ziele einzahlen.

© United Nations

SDG 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion


Technik hat die Aufgabe, das Leben leichter zu machen, umso besser, wenn sie auch umweltverträglich und energieeffizient ist. Dabei spielt Chipdesign eine zentrale Rolle.

Durch die Konzentration aller Funktionen eines elektronischen Geräts auf einem winzigen Chip von wenigen Millimetern wird heute nur ein Bruchteil der Fläche benötigt, die früher gebraucht wurde. Der Bedarf an wertvollen Materialien wie Kupfer, Nickel oder Gold wird dadurch um ein Vielfaches reduziert. »Da haben wir den Vorteil, dass wir keinen Elektroschrott produzieren, sondern im Gegenteil, bei der Mikroelektronik vermeiden wir, Elektroschrott überhaupt herzustellen«, verdeutlicht Prof. Dr. Milosiu.

Vorteile von Chipdesign im Sinne der Nachhaltigkeit


Mikroelektronik ist heute unvorstellbar klein. Im Gegensatz zu früher, als Bauelemente wie Transistoren, Kapazitäten, Spulen, Dioden oder Widerstände physisch auf Platinen angebracht wurden, sind sie jetzt als planare Schichten auf einem Chip aufgebracht. Ein Transistor auf einem Chip ist manchmal nur wenige Nanometer klein und 10 000 mal dünner als ein menschliches Haar. Diese Verkleinerung bringt enorme Vorteile:

  • Geringere Größe und Gewicht: Durch die Integration von mehreren Bauelementen auf einem einzigen Chip werden elektronische Geräte kleiner, leichter und tragbarer.
  • Höhere Geschwindigkeit: Die kürzeren Verbindungsstrecken zwischen den Bauelementen ermöglichen schnellere Signalübertragungsgeschwindigkeiten.
  • Geringerer Stromverbrauch: Integrierte Schaltungen verbrauchen weniger Strom als diskrete Bauelemente, was zu einer längeren Batterielebensdauer und einer geringeren Wärmeentwicklung führt.
  • Erhöhte Zuverlässigkeit: Die geringere Anzahl von Verbindungen und die kompaktere Bauweise und Verguss in einem Gehäuse führen zu einer höheren Zuverlässigkeit und geringeren Ausfallraten.
  • Höhere Integrationsdichte / Größere Komplexität: Die Möglichkeit, mehr Transistoren auf einem Chip unterzubringen, ermöglicht die Entwicklung leistungsfähigerer und funktionsreicherer Elektronik. Integrierte Schaltungen können komplexere Schaltungen mit mehr Funktionen auf einem einzigen Chip integrieren.
  • Geringere Kosten: Die Massenproduktion von integrierten Schaltungen führt zu geringeren Kosten pro Funktion im Vergleich zu diskreten Bauelementen.
  • Weniger Bauteile: Die Integration von mehreren Bauelementen in einem Chip reduziert die Anzahl der benötigten Bauteile und vereinfacht den Fertigungsprozess.
  • Verbesserte Umweltverträglichkeit: Die effizientere Nutzung von Materialien führt zu weniger Materialeinsatz und damit zu einer geringeren Umweltbelastung durch die Elektronikproduktion.
Chipdesign am Fraunhofer IIS
© Fraunhofer IIS
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SDG 7: Bezahlbare und Saubere Energie


Im Bereich Low-Power-Wireless wird der Stromverbrauch so optimiert, dass beispielsweise ein wöchentlicher Batteriewechsel auf eine Batterielebensdauer von zehn Jahren ausgedehnt wird. Prof. Dr. Milosiu erklärt: »Eine tausendfach geringere Leistungsaufnahme ist in der Tat eines der möglichen Ergebnisse unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeit«.

SDG 10: Weniger Ungleichheiten


Das, was das Fraunhofer IIS darüber hinaus auszeichnet, ist die »sehr lebendige und kreative Kultur im Haus. Wir dürfen bei unserer Forschung schöpferisch sein und haben recht viele Freiräume«, beschreibt Prof. Dr. Milosiu.

Die Verwirklichung der Chancengleichheit spiegelt sich auch in der Belegschaft des Fraunhofer IIS wider. »Vielfalt ist ein Garant für Kreativität«, veranschaulicht Prof. Dr. Milosiu, »wir haben zahlreiche Nationen, die in unserem Haus vertreten sind.« Auch der steigende Anteil von Frauen in der Entwicklung sei ein positiver Trend, der einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele leiste.

Auf die Frage, warum das Fraunhofer IIS die Umsetzung der Sustainable Development Goals erfolgreich bewältigen kann, äußerte Prof. Dr. Milosiu folgende Gedanken: »Wir haben den Vorteil, dass wir eigenständige Konzepte entwickeln können und auch neue Richtungen einschlagen dürfen. Dies liegt daran, dass wir in der Wertschöpfungskette weit vorne stehen. Zudem ist ein ausgeprägtes Nachhaltigkeitsbewusstsein fest in der Denkweise der Belegschaft und im Leitbild des Fraunhofer IIS verankert.«

© United Nations

Der Beitrag wurde mit freundlicher Unterstützung durch Studierende der TH Nürnberg im Rahmen einer Seminararbeit von Celina Merdian, Hannes Gsell und Tina Neubert erstellt.

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