Von Neuronen inspiriert: neuromorphe Hardware und Chipdesign der Zukunft

08. Juli 2024 | Neue Chancen für das analog-digitale Chipdesign

Das Design von Mikrochips soll immer mehr den neuronalen Strukturen des menschlichen Gehirns nachempfunden werden. Integrierte Mixed-signal-Schaltkreise machen das möglich. Noch besser: Anwendungen können in Zukunft lokal genutzt werden – durch Edge AI.

© Foto: Fraunhofer / Piotr Banczerowski 1
Neuronale Netze in Mikrochips nachbilden, daran forscht Markus Eppel.

Was ist ein Chip? Ein Chip ist eine elektrische Schaltung, die auf einigen Quadratmillimetern verschiedenste Funktionen erfüllen kann. In Zukunft können Chips noch energieeffizienter und schneller werden. Ein Beispiel dafür ist der ADELIA-Chip des Fraunhofer IIS. Solche Mixed-Signal-Inferenzbeschleuniger basieren auf neuromorpher Hardware und verarbeiten Daten wesentlich schneller als herkömmliche Chips. Ein weiteres Ziel ist es, bei KI-gestützten Sensorsystemen die Datenauswertung in Zukunft nicht mehr in die Cloud zu verlagern, sondern lokal am Endgerät anzuwenden. 

Der aktuelle Markt verlangt immer komplexere und anspruchsvollere KI-Lösungen. Das Fraunhofer IIS entwickelt deshalb energieeffiziente und latenzarme, d.h reaktionsschnelle KI-Beschleuniger wie ADELIA in öffentlichen Förderprojekten zum Innovationsausbau für Systemintegratoren und Halbleiterhersteller. 

Fortschritte im Bereich der KI beruhen vor allem auf der Verwendung neuronaler Netze. Programmieren nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns – das ist neuromorphes Computing. Dr.-Ing. Markus Eppel ist Gruppenleiter beim Fraunhofer IIS. Er beschreibt das neuronale Netz in Mikrochips als »in Hardware gegossene KI«. 

Warum sollte man neuromorphe Hardware in Mikrochips verbauen?

Gehirne sind neuronale Netze. Bei der Biene wie beim Menschen sind biologische Gehirne u.a. extrem auf Mustererkennung spezialisierte Wunderwerke der Natur von unterschiedlicher Komplexität. Mustererkennung – wie das Erkennen einer Person auf einem Bild – mit klassischen Computerarchitekturen zu lösen, ist sehr energie- und zeitaufwändig. Zum Vergleich: Das Gehirn einer Biene orientiert und bewegt sich bei Reaktionszeiten von einigen Millisekunden durch Lichteindrücke im Raum mit nur wenigen Mikrowatt »Gehirnleistung«. Währenddessen benötigt ein künstlicher Flugkörper wie eine Drohne dafür ein Millionenfaches an Leistung und operiert vergleichsweise träge. 

Dr. Markus Eppel erklärt: »Durch die Nachbildung sehr einfacher neuronaler Netze können wir Mustererkennung deutlich effizienter und reaktionsschneller realisieren als mit herkömmlicher Computerarchitektur. Von der Komplexität des Bienenhirns sind wir weit entfernt, doch mit den richtigen Vorbildern können wir große Fortschritte machen. Neuromorphe Hardware oder Inferenzbeschleuniger werden diese Schaltungen genannt, weil sie die Morphologie neuronaler Netze nachbilden und Schlussfolgerungen (Inferenzen) aus Eingangsdaten deutlich schneller und effizienter ableiten als herkömmliche Hardware.«

Noch energiesparendere und schnellere Prognosen können durch sogenannte Mixed-Signal-Schaltungen – einer Mischung aus analogem und digitalem Computing – erzielt werden. Hier wird die hohe Leistung und die Effizienz der analogen Schaltungstechnik mit der Flexibilität und Genauigkeit des digitalen Computings verbunden.

Was ist der Vorteil von Mixed-Signal-Computing?

Mixed-Signal bezeichnet die Kombination von analogem mit digitalem Chipdesign. Eine häufig gebrauchte Rechenoperation im digitalen Computing – und insbesondere bei der Nachbildung neuronaler Netze – ist die Vektor-Matrix-Multiplikation. Dabei ist das wiederholte Ausführen von Multiplikationen energieintensiv. Mit einem analogen Schaltungsansatz können die für die Operation notwendigen Additionen und Multiplikationen durch die direkte Anwendung der Ohmschen und Kirchhoffschen Gesetze umgesetzt werden. Das ist deutlich effizienter. Das Fraunhofer IIS hat dafür ein spezielles Hardware-Aware-Training für die Mustererkennung entwickelt. 

Mit diesen Kompetenzen im Mixed-Signal-Schaltungsentwurf oder Hardware- und Software-Codesign verfügt das Fraunhofer IIS über ein breites Spektrum an Know-how und Fähigkeiten. Das macht die Forschungsarbeit und -ergebnisse mit ihrer marktgerechten Ausrichtung einzigartig. 

Wie könnten Anwendungen mit diesem Chipdesign in Zukunft aussehen?

Die Anforderungen an neuromorphe Hardware sind in den letzten Jahren deutlich komplexer geworden und der Fokus verlagert sich – auch getrieben durch den Boom des Internets der Dinge – auf energieautarke, KI-gestützte Sensorsysteme. Bisher werden Sensordaten hauptsächlich in die Clouds übertragen und ausgewertet. Höchsteffiziente neuromorphe Hardware wie ADELIA eröffnen neue Möglichkeiten. Indem sie es erlauben, Daten direkt lokal auf dem Endgerät auszuwerten, reduzieren sie dadurch den Datenverkehr erheblich. Darüber hinaus werden auf diesem Weg Latenzzeiten deutlich verkürzt. 

Der Beitrag wurde mit freundlicher Unterstützung durch Studierende der TH Nürnberg im Rahmen einer Seminararbeit von Valerie Krieg und Franziska Raab und erstellt.

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