Herausforderungen in der Produktionstechnologie
Im Lauf der Jahre sind – wie im sogenannten Moore’schen Gesetz vorhergesagt – die Strukturen auf einem Chip auf weniger als fünf Nanometer (nm) geschrumpft, das bedeutet, dass sie inzwischen 10 000-mal dünner sind als ein menschliches Haar. Entsprechend sind die technologischen Anforderungen an Halbleiterfabriken und damit auch die Investitionskosten gestiegen. In einer Halbleiterfabrik werden diese feinsten Strukturen, bestehend aus vielen Schichten verschiedener Materialien, auf Scheiben aus Silizium, sogenannten Wafern mit meistens 300 Millimeter Durchmesser, präzise aufgebracht. Zum Herstellungsprozess gehören die maskengesteuerte Strukturierung von Oberflächen mit einer Ortsauflösung von wenigen Nanometern, die Dotierung von Halbleitermaterialien, die Abscheidung von Schichten, Ätzprozesse sowie Polier- und Reinigungsprozesse. Dafür sind technologisch hoch entwickelte Herstellungsmaschinen, spezielle Materialien, Reinräume mit höchsten Anforderungen an Klimatisierung und Luftreinhaltung, große Mengen an Energie und vor allem auch qualifiziertes Personal für die Steuerung der Fertigungsanlagen erforderlich. Erst das Zusammenspiel all dieser Faktoren ergibt eine ausreichend ho he Qualität des Herstellungsprozesses für einen wirtschaftlichen Betrieb.
Nach der eigentlichen Prozessierung der Wafer werden diese wiederum von spezialisierten Unternehmen mit rund um den Globus verteilten Standorten getestet, vereinzelt, in Gehäuse eingebaut und gehen schließlich in den Handel. Insgesamt dauert die Produktion vom Roh-Wafer bis zum fertigen Produkt bis zu sechs Monate. Die Fertigungskapazitäten einer Halb leiter-Fabrik sind infolgedessen in der Regel auf Monate oder sogar auf Jahre hinaus ausgebucht. Daher kann es selbst im Falle von kleinen Störungen in den Abläufen zu massiven Auswirkungen in den Lieferketten kommen. Die Investitions kosten sind enorm – eine Fabrik für 5-nm-Technologie (ein sogenannter 5-nm-Node) mit einer Kapazität von fünf Millionen 300-Millimeter-Wafern pro Jahr erfordert beispielsweise einen Kapitaleinsatz von etwa 20 Milliarden Dollar. Aufgrund dieser Anforderungen suchen die Halbleiterhersteller Standorte mit attraktiven Rahmenbedingungen; das Übergewicht Asiens in den Herstellungskapazitäten beruht letztlich auf einer strategisch angelegten staatlichen Subventionierung.
Erst seit kurzer Zeit sind auch geostrategische Überlegungen wie die Verteilung von Fabriken auf verschiedene Kontinente ein Entscheidungskriterium. Die Entscheidung von Intel für den Fertigungsstandort Magdeburg oder Diskussionen über eine mögliche Ansiedlung des führenden und in Taiwan beheimateten Auftragsfertigers TSMC in Europa machen diese veränderte strategische Ausrichtung deutlich.
Veredelung von Chips: »More than Moore«
Neben der reinen Skalierung auf noch kleinere Strukturen (»More Moore«) gibt es mit der sogenannten Heterointegration (»More than Moore«) einen alternativen Ansatz, um noch höhere Komplexität in ein Bauteil zu integrieren oder ganz neue Leistungsmerkmale zu realisieren. Hier werden durch Methoden des »Advanced Packaging« einzelne Chips auf speziellen Trägermaterialien (Substraten) nebeneinandergesetzt oder sogar dreidimensional übereinandergestapelt. Dies führt neben einer höheren Packungsdichte auch zu einer deutlichen Leistungsersparnis: Die notwendige elektrische Energie zur Übertragung der Daten zwischen Rechenkernen und Speichern wird aufgrund der kürzeren Leitungen drastisch reduziert. Ebenso können kleinere Chipelemente (sogenannte Chiplets) zu größeren, sehr komplexen Systemen zusammengesetzt werden.
Das erlaubt die Kombination von Schaltkreisen aus unterschiedlichen Technologieknoten und erhöht auch die Ausbeute. Denn je kleiner die Chips bleiben, umso kleiner ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich doch noch Fehler darauf befinden. Ein Beispiel ist die von Intel auf der Technikmesse CES gerade gezeigte »Ponte Vecchio«-Rechnerplattform, die Schaltkreise mit 100 Milliarden Transistoren aus fünf verschiedenen Technologie-Generationen auf 47 verschiedenen Chiplets kombiniert.
Unterschiedliche Arten von Chips
Moderne Geräte vereinigen unterschiedliche Funktionen, für die verschiedene Arten von Schaltungen gebraucht werden. Wenn eine davon fehlt, dann kann das Gerät nicht gebaut werden. Die vielzitierte »Chipkrise« in der Automobilindustrie ist nicht durch einen Mangel an Chips der neuesten Technologien begründet. Es fehlt(e) oftmals an einfachen Schaltkreisen aus alten Technologiegenerationen, die teils nur wenige Cent kosten. Unternehmen, die diese Art von Chips herstellen, sind aber derzeit komplett ausgelastet. Kurzfristiger zusätzlicher Bedarf kann daher oft nur zu hohen Preisen auf dem Spotmarkt beschafft werden, wenn die Produktion der Endprodukte nicht stillstehen soll. Es gibt also nicht die „eine Sorte“ von Chips, sondern eine Vielzahl von Varianten in unterschiedlichen Technologien: Wichtigster Rohstoff in der Halbleiterherstellung ist Silizium als Basismaterial für sogenannte CMOS-Schaltungen (Complementary Metal-Oxide-Semiconductor) für Prozessoren, Speicher und analoge Schaltkreise wie zum Beispiel Verstärker und Leistungsschalter.
Für Prozessoren mit hoher Rechenleistung, zum Beispiel für den Einsatz in Smartphones, Tablets, Rechnern, werden aktuell Schaltkreise mit Strukturen bis unter 5 nm verwendet. Standardprozessoren für weniger komplexe Aufgaben werden in einfacheren Technologien mit Strukturgrößen bis 180 nm hergestellt. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe von Spezialtechnologien zum Beispiel für nichtflüchtige Speicher, für Security-Anwendungen wie Smartcards, für Bildsensoren sowie für mikromechanische Sensoren und Aktoren, die beispielsweise für das autonome Fahren wichtig sind. Für Anwendungen in der Opto-Elektronik, etwa für die Kommunikation über Glasfaser oder für Sensorik im Infrarotbereich sowie für Anwendungen in der Hochfrequenztechnik, werden Schaltkreise auf Basis von sogenannten III-V-Materialien verwendet, also Gallium-Arsenid oder Indium-Phosphid. Für die Leistungselektronik wird heutzutage vor allem Silizium verwendet, eine zunehmend wichtige Rolle spielen sogenannte Wide-Bandgap-Halbleiter auf der Basis von Silizium-Carbid (SiC) oder Gallium-Nitrid (GaN).
Stärken und Schwächen von Europa, Amerika und Asien
Hauptakteure in der Produktion von Digitalchips sind die Vereinigten Staaten, Taiwan, Südkorea, Japan und China, die Schwerpunkte sind allerdings sehr unterschiedlich verteilt. Taiwan dominiert die Auftragsfertigung von Chips (Foundry-Service) mit mehr als der Hälfte aller auf der ganzen Welt produzierten Chips. Fast alle großen Unternehmen, die Chips entwerfen, aber nicht produzieren, wie zum Beispiel Apple, Qualcomm oder Nvidia, sind abhängig vom Weltmarktführer TSMC. Größter Komplettanbieter vom Design bis zur Fertigung von eigenen Produkten ist hingegen das amerikanische Unternehmen Intel als sogenannter Integrated Device Manufacturer. Südkoreas Stärke liegt vor allem im Bereich der Speicherchips. Auch die Halbleiterproduktion in China wird zunehmend leistungsfähiger und wird mit massiven Investitionen ausgebaut: Die chinesische Regierung hat im Rahmen der Initiative »Made in China 2025« das Ziel ausgegeben, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre ungefähr 70 Prozent der eigenen Chipnachfrage durch inländische Produktion gedeckt werden soll. Europa hat, bezogen auf die produzierte Chipfläche, einen Anteil von aktuell lediglich etwa 7 Prozent. Stärken liegen hier im Bereich der Chips mit Strukturgrößen von 180 nm bis hinunter zu 18 nm für Spezialprozessoren für die Industrie und den Automobilbereich, die Sensorik, für Industrie- und Leistungselektronik sowie in der Opto-Elektronik. Der Weltmarktanteil der EU an diesen besonderen Chips beträgt heute ungefähr 22 Prozent. Die wichtigsten europäischen Unternehmen in diesem Bereich sind Bosch, Infineon, NXP, St-Microelectronics, Intel (Irland) sowie Global Foundries. Der größte europäische Standort für die Fertigung ist Dresden mit Fabriken von Infineon, Bosch und Global Foundries. Ein neuer wichtiger Impuls wird durch die geplante Ansiedlung von Intel in Magdeburg gesetzt, wo 17 Milliarden Euro investiert werden sollen.
Viele Hersteller von Produktionsmaschinen für Halbleiter haben ihren Sitz in Europa. Das bedeutendste Unternehmen ist der niederländische Konzern ASML. Er ist weltweiter Technologieführer für Belichtungsmaschinen zur Chipproduktion. Diese sogenannten Extreme-Ultra-Violet (EUV)-Belichter ermöglichen als einzige die Produktion von Chipstrukturen im Bereich von weniger als 5 nm im industriellen Maßstab.
Chipdesign als Basis für die Anwendungsinnovation
Am Anfang eines jeden Chips, der in einer Halbleiterfabrik gefertigt wird, steht indes immer der Entwurf der Schaltungen, Fachleute nennen dies das Chipdesign. In ihm steckt die eigentliche Festlegung der Funktionalitäten eines Chips. Mithilfe von Software-Tools wird die dafür notwendige Verschaltung von Transistoren festgelegt, daraus werden die Layoutdaten für die Belichtungsmasken als Bauplan für die Wafer-Fertigung erzeugt. Dieser Design-Flow ist bei großen Schaltkreisen wie zum Beispiel dem neuesten Apple-M1-Ultra-Prozessor mit seinen mehr als 50 Milliarden Transistoren überaus anspruchsvoll. In großen Teams arbeiten mehrere Hundert Design-Spezialisten für Konzept-Engineering, Schaltungsdesign, Verifikation, Testplanung und Softwareentwicklung unter hohem Zeitdruck und Erfolgsdruck zusammen. Je nach Komplexität können diese Entwicklungsprojekte bis zu zwei Jahre dauern, die Einmalkosten für den notwendigen Maskensatz zur Herstellung können für eine 5-nm-Technologie bis zu 20 Millionen Dollar betragen. Diese Investitionen rechnen sich daher nur angesichts der Aussicht auf sehr hohe Stückzahlen. Für weniger komplexe Schaltkreise und für ältere Technologien liegen Aufwand und Kosten niedriger, stellen aber immer noch eine hohe Schwelle für den Einsatz von speziell entworfenen Chips in neuen Produkten dar.
Für viele innovative Ideen spielt das Chipdesign eine Schlüsselrolle, um neue Ideen und Konzepte auch in miniaturisierte und kostengünstige Produkte zu bringen – gleichgültig, ob diese Chips dann in Europa oder in Asien produziert werden. Das Chipdesign macht in der Wertschöpfung der Halbleiter ungefähr 30 Prozent aus. Viele der Chips, die europaweit und auch weltweit verkauft werden, werden immerhin in Europa entworfen, wenngleich auch vorwiegend in Asien produziert. Dies gilt vor allem für die Branchen, in denen Europa noch das führende Anwendungswissen hat wie zum Beispiel im Bereich von Sensorsystemen, in der Industrie-Automatisierung oder der Automobiltechnik. Gleichzeitig ist festzustellen, dass in Europa das Wissen für das Design von Smartphone-Prozessoren oder von 5G-Mobilfunkmodems nicht mehr vorhanden ist. Daher ist die Fähigkeit des Chipdesigns in Europa essenziell, um weiterhin Produkte »Designed in Europe« anbieten zu können – auch wenn die Chips außerhalb Europas produziert werden. Ein Problem hierbei ist, wie in vielen anderen Branchen auch, der dramatische Fachkräftemangel. Schon heute sind Spezialisten für Chipdesign sehr gesucht und hoch bezahlt. Allein in Deutschland sind einige tausend Stellen offen. Dieser Trend wird sich angesichts sinkender Absolventenzahlen in den einschlägigen Ingenieurdisziplinen wie Elektrotechnik und dem vorhersehbaren Ruhestand vieler erfahrener Spezialisten verschärfen.
Handlungsbedarfe in Europa
Die zurückliegenden, teils krisenhaften Entwicklungen haben deutlich gezeigt, dass in den hoch spezialisierten und global aufgestellten Zulieferketten für Mikrochips echte Autarkie in weiter Ferne liegt. Daneben gibt es weitere Einflussgrößen wie den Mangel an Produktionskapazitäten, enorme Energie- und Produktionskostensteigerungen, aber auch ei ne zunehmende nationalstaatliche Intervention sowie marktspekulative Effekte (künstliche Verknappung). Um technologisch souverän zu bleiben, muss Europa die Herausforderungen in drei Handlungsfeldern annehmen: Zum Ersten müssen grundlegende Fähigkeiten in der Halbleitertechnologie für Strukturgrößen bis unter 5 nm vorgehalten und weiterentwickelt werden. Zum Zweiten gilt es, im Bereich des Designs von Schaltungen sowohl die Methoden weiterzuentwickeln als auch die Ressourcen weiter auszubauen. Zum Dritten müssen die Bereiche, in denen Europa stark oder führend ist, wie zum Beispiel Sensorik, Leistungselektronik, Hetero-Systemintegration sowie Optoelektronik, weiter ausgebaut werden. Und nicht zuletzt brauchen wir für alle drei Felder eine deutlich höhere Zahl an Fachkräften, sowohl im Design von Chips als auch für den Betrieb von Fertigungsanlagen.
Für die Gestaltung geeigneter Rahmenbedingungen zur Ansiedlung und zum Ausbau von Halbleiterfabriken ist die Politik auf nationaler Ebene und auf EU-Ebene gefordert. Europa setzt sich im EU Chips Act (ECA) mit geplanten Investitionen von 43 Milliarden Euro das überaus ambitionierte Ziel, seinen Weltmarktanteil an der Chipfertigung bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent zu steigern. Dabei setzt die EU neben neuen Impulsen in der Forschung vorwiegend auf die Erleichterung von Subventionen durch die Mitgliedstaaten. Im Rahmen des »Programms für Important Projects for Common European Interest (IPCEI)«, das mittlerweile in der zweiten Phase ist, sollen Ausnahmen für die sonst strengen Subventionsvorschriften ermöglicht werden. Die Unterstützung der Halbleiterindustrie durch das Wirtschaftsministerium im Rahmen des IPCEI-Programms läuft gerade an.
Zur Förderung der Forschung unterhält das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) umfangreiche Programme. Aktuell wurde der Anstoß für den Aufbau einer Mikroelektronik-Akademie gegeben. Sie hat die Aufgabe, tiefere fachliche Aus- und Weiterbildungsangebote zu konzipieren und somit fachlich Interessierten den Quereinstieg in das Chipdesign zu ermöglichen.
Insgesamt ist angesichts massiver internationaler Investitionen in die Forschung und Erweiterung der Infrastrukturen auf nationaler Ebene Eile geboten: Die schon geplanten Unterstützungsmaßnahmen müssen rasch umgesetzt werden, ebenso sind weitere Investitionen in Forschung und Ausbildung notwendig: Amerika hat für seinen Chips Act 52 Milliarden Dollar
bereitgestellt, China für seine Initiativen umgerechnet 152 Milliarden Dollar. Auch Japan legt eine Vielzahl an Förderprogrammen in Milliardenhöhe für die Mikroelektronik auf. Auch wenn wir aktuell eine leichte Entspannung beim akuten Chipmangel erkennen, dürfen wir uns keinesfalls zurücklehnen. Wir haben gesehen, wie sehr unsere Wirtschaft von anderen Staaten und globalen Lieferketten abhängig ist. Ziel kann nicht die Autarkie Deutschlands auf diesem Gebiet sein, dafür sind die Ressourcen, das Know-how und die Fertigungskapazitäten weltweit zusehr verteilt. Aber neben möglichst sicheren und zuverlässigen Partnern und Lieferketten muss es darum gehen, Kompetenzen in Deutschland und in Europa zu halten und auszubauen. Insbesondere ist das Chipdesign ein wichtiger Innovationsmotor, der zu unserer Wirtschaftskraft und unserem Wohlstand beiträgt. Das gelingt nur mit Fachkräften, deren Ausbildung eine gemeinsame Anstrengung von Politik, Industrie, Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist. So kann für Europa nach der Chipkrise eine »Chipwende« eingeleitet werden.
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