Wasserstoff: So bringen wir die PS auf die Straße

22. September 2021 | Das Fraunhofer IIS forscht an Lösungen für ein komplexes Wirtschaftssystem

Wasserstoff wird als Zukunftstechnologie gehandelt. Doch was verbirgt sich konkret hinter der Wasserstoffwirtschaft? Welche Expertisen bietet das Fraunhofer IIS? Und wie können Unternehmen davon profitieren? Prof. Alexander Martin, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen und des Lehrstuhls für Analytics & Mixed-Integer Optimization an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, steht Rede und Antwort. 

 

Herr Prof. Martin, Wasserstoff gilt als Technologie der Zukunft. Sehen Sie das auch so?


Prof. Martin: Eines ist klar: Mittel- bis langfristig müssen wir auf fossile Energieträger verzichten. Wasserstoff wird nicht nur einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Energiewirtschaft leisten, sondern ist vielmehr unverzichtbar, wenn wir langfristig Energieneutralität erreichen wollen. Mit unserer Forschungskompetenz am Fraunhofer IIS möchten – und können – wir unseren Beitrag dazu leisten.

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© Fraunhofer IIS
Prof. Dr. Alexander Martin, Institutsleiter

Wasserstoffwirtschaft ist ein sperriger Begriff. Was verstehen Sie, was versteht das Fraunhofer IIS darunter? Wo besteht noch Entwicklungsbedarf?


Prof. Martin: Die Wasserstoffwirtschaft ist ein komplexes Wirtschaftssystem. In diesem Kontext gibt es natürlich viele herausfordernde Fragestellungen, die in den nächsten Jahren zu lösen sind. Erstens muss der komplette Prozess optimiert werden, sprich von der Erzeugung des Wasserstoffs über die Speicherung und den Transport bis hin zur Entwicklung der richtigen Nachfragen. Zweitens gilt es, die einzelnen Komponenten wie Elektrolyseure, Brennstoffzellen oder Speichermöglichkeiten weiter zu erforschen und zu verbessern. Und drittens braucht es die richtigen Geschäftsmodelle: An welchen Stellen ist es richtig und wichtig, Wasserstoff in den Energiemix aufzunehmen? 

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© Fraunhofer IIS
Ein ganzheitlicher Blick auf die Wasserstoffwirtschaft inklusive ihrer Zulieferer und Dienstleistungen ermöglicht es dem Fraunhofer IIS, sich an zentralen Stellen wirkungsvoll mit seinen Kompetenzen einzubringen.

In allen drei Bereichen spielen ergänzend die Möglichkeiten der Digitalisierung, die sich beispielsweise durch den Einsatz von IOT-Technologien oder KI-Verfahren ergeben, eine wichtige Rolle. In diesem gesamten Umfeld hat das Fraunhofer IIS Expertise und kann Beiträge liefern.


Welche Expertisen bringt das Fraunhofer IIS konkret ein?


Prof. Martin: Das Fraunhofer IIS hat derzeit Kompetenzen in mindestens vier Anwendungsfeldern, die für die Wasserstoffwirtschaft von Interesse sind. So kann unser Forschungsbereich in Fürth Bauteile zerstörungsfrei und kosteneffizient auf Schadstoffe und Fehler prüfen, und zwar in Echtzeit und während der Produktion. Eine solche zerstörungsfreie Prüfung spielt eine große Rolle, um beispielsweise die Brennstoffzellenproduktion nachhaltiger und effizienter zu gestalten. 

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© Fraunhofer IIS
Mit seiner Expertise im zerstörungsfreien Monitoring kann der Forschungsbereich Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT Brennstoffzellen in Echtzeit prüfen – im laufenden Betrieb.
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© Fraunhofer IIS
Das Fraunhofer IIS verfügt über eine herausragende Expertise in der Optimierung von Prozessen und Leitungssteuerung u.a. auf dem Gebiet der Gasversorgung. Dieses Know-how kann das Fraunhofer IIS auf die Versorgungsinfrastruktur für Wasserstoff anwenden, und zu einer effizienten Versorgungssteuerung beitragen.
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© Fraunhofer IIS
Im Forschungsbereich Supply Chain Services forschen und arbeiten Expertinnen und Experten seit vielen daran, erfolgreiche Geschäftsmodelle für neue Märkte zu entwickeln. Mit dieser Kompetenz arbeiten sie nun an Geschäftsmodellen für den zukünftigen Wasserstoffmarkt.

Der zweite wichtige Punkt ist das Thema Optimierung von Prozessen, insbesondere was den Transport von Gas angeht. Wie müssen solche Versorgungsinfrastrukturen aufgesetzt sein und wie werden die Netze gesteuert? In diesen Bereichen haben wir seit Jahrzehnten große Kompetenz. Der dritte Bereich, in dem wir am Fraunhofer IIS unterwegs sind, liegt in der Entwicklung von Geschäftsmodellen für den Kunden. Wie muss der Kunde, wie müssen seine Produkte sich zukünftig ändern? Unsere langjährigen Erfahrungen etwa bei der Produktion von Maschinen lassen sich leicht auf die Wasserstoffproduktion und -versorgung übertragen. Viertens ist unser großes Wissen im Bereich der Künstlichen Intelligenz zu nennen, das rund um das Thema Wasserstoff noch eine dringendere Rolle spielen wird als in anderen Bereichen. Denn hier braucht es unbedingt mehr Wirtschaftlichkeit, und da kann KI den entscheidenden Mehrwert bringen. Gerade die Digitalisierung der Wasserstoffwertschöpfungskette können wir mit unserer Expertise nachhaltig mitgestalten.

Wie können Kunden vom Knowhow des Fraunhofer IIS profitieren?


Prof. Martin: Das Fraunhofer IIS ist ein Forschungs- und Technologieinstitut, das Forschung direkt in die Praxis umsetzt. Das heißt: Wir haben Kompetenzen sowohl in den Technologien als auch in den Methoden. Mit diesen Kompetenzen können wir die herausfordernden Fragestellungen, die beim Aufsetzen einer Wasserstoffinfrastruktur und eines Wasserstoffwertschöpfungssystems auftreten, beantworten: In der horizontalen Wertschöpfungsebene, also etwa der nachhaltigen Versorgungsinfrastruktur, ebenso wie in der vertikalen Wertschöpfung, der Verbesserung einzelner Komponenten. Und auch in der dritten Dimension, wenn es darum geht, über die Digitalisierung Mehrwerte aus erhobenen Daten zu erzielen.


Welche politischen Voraussetzungen braucht es Ihrer Meinung nach, damit sich die angewandte Forschung generell und das Fraunhofer IIS im Besonderen optimal einbringen kann?


Prof. Martin: Die Herausforderungen, die bei neuen Technologien wie dem Wasserstoff auftreten, können nur im Schulterschluss zwischen Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft bewältigt werden. Um die PS schneller auf die Straße zu bringen, brauchen wir Strukturen und Rahmenbedingen, die einen intensiven Austausch zwischen Industrie und Forschung leicht ermöglichen. Dabei sollte die Politik technologieunabhängige Rahmenbedingungen setzen: Die jeweils beste Technologie für eine bestimmte Fragestellung soll und wird am Ende gewinnen.

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