KI-Serie: Künstliche Intelligenz zum Einsatz bringen

3. August 2020 | Wie kann KI in Wirtschaft und Industrie nützen und woran forscht das Fraunhofer IIS aktuell? Die Bereichsleiter des Fraunhofer IIS zeigen Chancen von KI-Technologien auf.

Audio und Medientechnologien – Dr. Bernhard Grill

»Unsere Stärke ist die Anwendung«

 

Egal ob im Kino oder zu Hause: oft steckt hinter dem Medien-Genuss auch ein Stück Technologie aus Erlangen. Im Bereich des digitalen Kinos zum Beispiel wird die Postproduktions-Software easyDCP mittels KI-Algorithmen kontinuierlich weiter verbessert. Im Heimkino, auf dem Smartphone oder in der VR-Brille sorgen die Nachfolger von mp3 oder AAC, mit denen sich das Fraunhofer IIS international etabliert hat, für interaktiven und umhüllenden 3D-Klang in Streaming-Anwendungen und aktuellen wie zukünftige Rundfunksystemen. Auch in diesem Umfeld werden KI-Methoden in Zukunft eine Rolle spielen, um zum Beispiel auch bei Hintergrundgeräuschen den Dialog besser zu erkennen und je nach Nutzerwunsch zu verstärken oder abzuschwächen.

»Unsere Stärke ist die Anwendung«, sagt Bernhard Grill, Leiter des Bereichs Audio und Medientechnologien. Und wo KI eingesetzt wird, reduzieren sich dank ausgeklügelter Datenkompression bei der Aufzeichnung und bei der Übertragung auch die wachsenden Audio- und Bilddatenraten, ohne dabei an Qualität zu verlieren.

Da das Fraunhofer IIS auf dem Gebiet der akustischen Signalverarbeitung eine weltmarktführende Position innehat, ist es nicht verwunderlich, dass die Wissenschafterlinnen und Wissenschaftler jüngst einen weiteren Erfolg vermeldeten. Beim KI-Innovationswettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) wurde die geplante Sprachassistenzplattform SPEAKER ausgezeichnet, die für Business-to-Business-Anwendungen gedacht ist.

Einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft unternimmt das Fraunhofer IIS mit dem Projekt KISS, das gemeinsam mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg realisiert wird. Um die Forschung auf dem Gebiet des maschinellen Lernens zu intensivieren, entsteht am Fraunhofer IIS ein praxisnahes KI-Labor für Systemdesign im Bereich maschinelles Lernen in Anwendungen der Signalverarbeitung.

 

Entwurf Adaptiver Systeme – Dr. Peter Schneider

KI-Technologien für mittelständische Unternehmen

 

Aller guten KI-Dinge sind drei beim Dresdner Institutsteil EAS. Denn das Bestreben, dass künstliche Intelligenz Anwenderinnen und Anwendern einen noch höheren Nutzen bringt, spiegelt sich hier in drei KI-bezogenen Forschungsbereichen wider: Entwurfsmethoden, Hardware-Realisierung und Intelligent Data Analytics. Bereits seit den 1990er Jahren setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Kundenprojekten künstliche Intelligenz ein, zum Beispiel bei der Überwachung von Produktionsanlagen und der Qualitätssicherung. Hier kombinieren sie zum Beispiel Daten, die von Sensoren erfasst werden, mit Expertenwissen für die jeweilige Anwendung. Da in der Praxis oftmals zwar sehr viele, aber nicht immer die richtigen Daten zur Verfügung stehen, um eine Aufgabenstellung zu lösen, nutzen sie auch physikalische Computermodelle, um zum Beispiel sogenannte Künstliche Neuronale Netze anzulernen. Neben der Datenanalyse mit KI-Algorithmen verfolgen die Expertinnen und Experten aber noch andere technologische Ansätze, wie private Cloud- und Edge-Lösungen oder den Einsatz spezieller, besonders leistungsfähiger KI-Computing-Hardware. »Mit diesen vielfältigen ›Werkzeugen‹ adressieren wir die verschiedenen Anforderungen unserer Kunden optimal. So entstehen individuelle Lösungen für Einsatzgebiete, bei denen Datenhoheit, Datenschutz und eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit entscheidend sind – auch und vor allem für kleine und mittlere Unternehmen,« fasst Dr. Peter Schneider, Bereichsleiter Entwicklung Adaptiver Systeme, zusammen.

»Wir wollen eine Brücke bauen zwischen Standardanwendungen, die viele Unternehmen heute schon zur Problemlösung nutzen, und dem Einsatz von KI-Algorithmen,« so Schneider weiter. Deshalb arbeitet der Institutsteil an Testlaboren, Beratungsleistungen durch Experten und weiteren modulare Angeboten. Mit diesen Bausteinen können neueste Entwicklungen, beispielweise aus den Bereichen Maschinelles Lernen, Deep Learning oder Explainable AI, auch für mittelständische Firmen nutzbar gemacht werden. Dafür ist der Institutsteil EAS auch in verschiedenen deutschlandweiten Netzwerken aktiv, wie AI4Germany, der Dachinitiative für Deutschland zum Thema KI. Hierin haben sich führende regionale Initiativen zum Thema zusammengeschlossen, um die Anwendung von Künstlicher Intelligenz durch die lokale Wirtschaft und Gesellschaft aktiv zu befördern. Jeder Partner hat in seinem Bundesland die Unterstützung der jeweiligen Landesregierung. Und auch am Standort Dresden ist der Institutsteil gemeinsam mit weiteren Fraunhofer-Partnern und der Exzellenzuniversität Dresden seit 2019 im »Center for Explainable and Efficient AI Technologies« (CEE AI) aktiv. Die Forschung an diesem Zentrum wird das gesamte Spektrum von der Hardware-Unterstützung über Gerätekommunikation bis zu KI-Ansätzen und Transfer in die Praxis abdecken.

Entwicklungszentrum Röntgentechnik – Dr. Norman Uhlmann

»Wir kennen den Bedarf unserer Kunden sehr genau«

 

Recycling in der Industrie mit KI-unterstützter Röntgentechnik ist für den stellvertretenden Bereichsleiter Norman Uhlmann eine sehr vielversprechende Methodik. Mit ihr lassen sich schnell gute Ergebnisse auch bei komplexen Sachverhalten erreichen. »In der 2D- und 3D-Bildauswertung setzen wir künstliche Intelligenz und neuronale Netze bereits ein.« Die Anwendungsszenarien sind vielfältig: Mit Hilfe von unterschiedlichen Röntgenverfahren und Detektoren lassen sich in Sortieranlagen etwa Fischgräten in Filet oder auch Knochen in Fleischstücken detektieren. Das ist nicht alles: Noch während der Messungen findet die Bewertung von Rohdaten statt. Und in nicht allzuferner Zukunft könnte es möglich sein, dass KI selbst vorschlägt, welche bildgebenden Verfahren und optischen Prüftechniken zum Beispiel bei zerstörungsfreien Prüfungen zum Einsatz kommen. KI-Methoden dürfen aber, so Uhlmann, keine »Blackbox« darstellen, und beliebige Entscheidungen treffen, die sich nicht nachvollziehen lassen oder die für den menschlichen Betrachter offensichtlich falsch sind.

»Gerade die Fragestellungen, die mit klassischen Methoden nicht gelöst werden können, weil sie zu komplex sind, wollen wir mit KI-Methoden beantworten. Die Mehrenergieröntgendetektoren oder Datensätze aus der XXL-Computertomographie liefern komplexe Daten, die klassisch nicht mehr gelöst werden können.« Sensornahe KI stellt hierbei sicher, dass die erhobenen und gespeicherten Daten sich durch maximale Qualität auszeichnen und über einen maximalen Informationsgehalt verfügen.

»Wir generieren mit unseren Systemen unmittelbar Daten, wissen um die Stärken und Schwächen der Datengenerierung, verknüpfen das mit dem Bedarf unserer Kunden.«, sagt Norman Uhlmann. »Daraus entsteht ein unmittelbarer Nutzen in der Anwendung

Kommunikationssysteme – Prof. Michael Schlicht

An der Nahtstelle zwischen Sensorik und Physik

 

Um Datenkommunikation so effizient wie möglich zu gestalten, hat der Bereich Kommunikationssysteme das Thema künstliche Intelligenz bereits vor vielen Jahren von gleich zwei Seiten angepackt. Software-seitiges Embedded Machine Learning und spezielle neuromorphe Hardware, die auf die technische Nachbildung des biologischen Vorbilds »menschliches Gehirn« abzielt, sind zwei der wichtigen Themenfelder, auf denen das Team um Bereichsleiter Michael Schlicht erfolgreich arbeitet. Wie neue KI-Elektronik etwa autonomes Fahren sicherer machen kann, zeigt das IIS-Verbundprojekt KI-FLEX. Mit Hilfe einer leistungsstarken Hardware-Plattform und der speziellen Software wird es möglich sein, die Position des Fahrzeugs und dessen Umfeld exakt zu erfassen. »Wir evaluieren konstant, welche Architekturen bei schwacher KI anwendbar sind.«

Künstliche Intelligenz ist dabei deutlich flexibler und energiesparender, wenn sie mit sensornaher und damit variabler Signalverarbeitung gekoppelt ist und Algorithmen zum Beispiel direkt am Sensor ihren Dienst tun. Zumal KI dann auch direkt auf Umgebungseinflüsse reagieren kann. Dies ist für Energieversorger wichtig, die zum Beispiel in puncto Zustandsüberwachung und Versorgungssicherheit ihre Quality-of-Service auf dem gewünschten hohen Niveau halten möchten und, genauso wie ihre Kunden, gleichzeitig Kosten im Griff behalten wollen.

»Wir stellen an der Nahtstelle zwischen Sensorik und physikalischer Datenübertragung die nötigen und richtigen Informationen zur Verfügung, um sie effizient und energiesparend an einen Server oder in die Cloud zu übertragen«, fasst Michael Schlicht zusammen. Neben der Datenübertragung werden in der Arbeitsgruppe jedoch auch die Übertragungswege selbst optimiert, damit Anwendungen – etwa für die Bereiche Öffentliche Sicherheit, IoT oder Automotive – in ihrem Gesamtsystem Energie sparen.

Lokalisierung und Vernetzung – Dr. Günter Rohmer

Ein Stück näher an den Menschen heran

 

Bei der drahtlosen Lokalisierung und Ortung von Personen und Objekten zum Beispiel in industriellen Anwendungen, in denen der Mensch zusammen mit Maschinen agiert, setzt der Bereich Lokalisierung und Vernetzung auf die nachrichtentechnische Umsetzung von Ortungs- und Vernetzungstechnologien durch KI-Methoden. »KI oder Machine Learning trägt somit bei, Produktionsumgebungen effizienter zu gestalten, insbesondere dort, wo drahtlose Sensorkommunikation und Vernetzung eingesetzt werden, um die Interaktion mit den Fertigungsmitarbeitern sicher zu gestalten«, sagt Günter Rohmer, Bereichsleiter Lokalisierung und Vernetzung. Ob Assistenzsysteme für automatisierte Transportsysteme oder intelligentes Werkzeugtracking: »Wir gehen mit vielen Anwendungen ein Stück näher an den Menschen in der Interaktion mit der Maschine heran und daher muss die Vernetzung und Kommunikation präzise und extrem schnell und sicher arbeiten. Hierzu müssen die Systeme auf die komplexen sich verändernden Umgebungsbedingungen in der Produktion reagieren und zu jeder Ortsangabe die optimale Korrektur der physikalischen Messung ermitteln. Dies gelingt in Echtzeit und mit optimalen Ergebnissen nur durch den Einsatz von geeigneten selbstlernenden KI-Methoden.« Vom technischen Knowhow des Bereichs Lokalisierung und Vernetzung profitieren Industriepartner, die Lösungen für das Internet of Things in den Bereichen Produktion, Smart City oder Smart Building benötigen. Nutzt man zudem die Signale des neuen Mobilfunkstandard 5G ist hochpräzise Ortung im Bereich von einigen Zentimetern mit Latenzzeiten von wenigen Millisekunden und Datenraten von bis zu 20 Gigabits pro Sekunde möglich.

Doch auch für klassische Mittelständler sind KI-Verfahren geeignet, damit diese die hohen Qualitätsstandards ihrer Produkte aufrechterhalten können. Denn KI führt von der industriellen Massenproduktion mit Hilfe von Robotern zur individuellen hochwertigen Produktion mit geringen Losgrößen. »Auf Basis einer hochpräzisen Lokalisierung in Echtzeit, wollen wir KI so nutzen, dass langwierige Trainingszyklen nicht mehr nötig sind.«

Das Expertenwissen und die menschliche Kreativität wird die neue Schlüsseltechnologie allerdings nicht ersetzen. Günter Rohmer weiß: »KI unterstützt uns, und damit unsere Kunden, außergewöhnliche Ideen schneller und effektiver umzusetzen.«

 

Smart Sensing and Electronics – Josef Sauerer

Smarte KI für einen breiten Anwendungsbereich

 

Dauerhaftes Monitoring chronisch Erkrankter, bildbasierte Emotionserkennung bei autistischen Kindern oder die Digitalisierung von Düften: »Der Anwendungsbereich von KI ist sehr breit und zeigt, welches Potential in Deep Learning steckt«, sagt Josef Sauerer, Bereichsleiter Smart Sensing and Electronics. Überall dort, wo der Umweg über die Cloud nicht möglich ist, weil beispielsweise Echtzeitanforderungen wichtig für den Anwendungsfall sind, spielt eingebettete KI ihren Trumpf aus. »Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Kombination aus anwendungsorientiertem Wissen mit Sensorik und mikroelektronischen Implementierungen.« Gerade im mobilen Betrieb, wo energieeffiziente, kostengünstige, kleine und leichte Geräte erforderlich sind, sind hochintegrierte Mikroelektroniksysteme gefordert.»

Wie genau KI-Entscheidungen getroffen werden, damit Anwenderinnen und Anwender Gewissheit und vor allem gesicherte, verlässliche Ergebnisse beim robusten Einsatz unter unterschiedlichsten Bedingungen erhalten, ist für Smart Sensing and Electronics ein zentrales Arbeitsfeld. Dazu gehört unter anderem die Frage, wie auch mit vergleichsweise wenig Daten maschinelles Lernen ermöglicht werden kann – und welche Lernverfahren für welche Anwendung generell am besten geeignet sind.

Smart Sensing and Electronics arbeitet für internationale Auftraggeber an der Entwicklung und Realisierung von bedarfsgerechten und zukunftsorientierten Lösungen auf den Gebieten Medizintechnik, Bildsensorik, Integrierte Sensorsysteme und IC-Design. Einige Beispiele sind unter anderem Lösungen für die zuverlässige Zustandserkennung von Produktionsmaschinen, für sicherheitsrelevante Anwendungen beim autonomen Fahren oder auch intelligente 3D-Magnetfeldsensorik zur besseren Ressourcennutzung von Waschmaschinen oder für das durchgehende mobile Monitoring chronisch Erkrankter.

Supply Chain Services – Prof. Alexander Pflaum

KI aus der Managementperspektive

 

»Daten sind heute eine wesentliche Quelle für mehr Umsatz und Effizienz«, sagt Prof. Alexander Pflaum, »vorausgesetzt sie sind richtig ausgewählt, analysiert und verwertet. Und Data Analytics und KI sind hierfür wichtige Basistechnologien.« Nicht immer sind die erforderlichen Daten allerdings im richtigen Format bzw. in ausreichender Qualität verfügbar. Nur, wenn dem so ist, kann die digitale Transformation bzw. das Schaffen von Mehrwert aus Daten gelingen.

Hier bringt die Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS ihre Kompetenzen ein: Dort, wo beispielsweise Daten nur unstrukturiert vorliegen oder neu erzeugt werden müssen, entwickelt sie auf Wissensgraphen basierende Datenräume oder setzt IoT-Technologien ein, um die Lücke zu schließen. Sind die erforderlichen Daten verfügbar, kombinieren die Expertinnen und Experten der Arbeitsgruppe Verfahren der mathematischen Optimierung mit datengetriebenen Verfahren, um Mehrwert zu schaffen. Realisiert wird dieser Mehrwert in einem weiteren Schritt durch die Entwicklung neuer Services und entsprechender Geschäftsmodelle.

Pflaum sagt: »Der Schlüssel liegt dabei in der Kombination von Domänenwissen, Technologie, Mathematik, Statistik und betriebswirtschaftlichen Verfahren.« Damit betrachtet die Arbeitsgruppe KI nicht allein aus technologischer, sondern vor allem aus Management-Sicht; ein klarer USP. So lässt sich, wie bei der BSH Hausgeräte GmbH, die Prognose von Ersatzteilen realisieren – selbst für Produkte, die erst nach vielen Jahren ein solches benötigen, was u.a. die Lager- und Recyclingkosten erheblich reduziert. Dieser umfassende Ansatz zeigt sich aber auch in der Zusammenarbeit mit der BHS Corrugated Maschinen- und Anlagenbau GmbH, dem Weltmarktführer für Wellpappenanlagen. Denn damit der digitale Wandel gelingt, ist es wichtig, dass auch KI-Kompetenzen beim Kunden aufgebaut werden: Deshalb hat die Arbeitsgruppe ein neues Kooperationsformat entwickelt: in dem sogenannten »Joint Lab Data Analytics« arbeiten nun seit 2019 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit BHS-Mitarbeitenden gemeinsam an KI-Anwendungen und treiben so die Data Analytics-Kompetenzen im Unternehmen voran.

Beitrag von Ilona Hörath.

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